41:
durfte diese interessante Zusammenstellung es gleichfalls verdienen, hier den geehrten Le-
sern vorgeführt zu werden.
Die Spitzenklüppelei bildete neben dem Bergbaue eine der ältesten Erwerbsquellen
im sächsischen Erzgebirge, und im Vereine mit diesem war sie es vorzugsweise, der das
Gebirge seine dichte Bevßlkerung verdankt. Nach den Annaberger Annalen und anderen
Ueberlieferungen war es im Jahre r56i, dass Barbara Uttmann anfing, in Annaberg die
Kunst der Verschlingung weisser Faden zu neuartigen Geweben, d. i. das Spitzenklöppeln
zu lehren. Viele Jahre lang blieb Annaberg in dem ausschliesslichen Besitze dieser Kunst
und so lange dies der Fall war, stand auch die sächsische Regierung und die sächsische
Gesetzgebung dieser Industrie fern. Später, und iemehr der Bergbau zu sinkenbegann.
fand das Klöppeln auch in andere Stldte und Gegenden", so z. B. in die Aemter Wolken-
stein, Grünhain, Schwarzenberg, Wiesenburg, Lauterstein, in das Voigtland, nach Böhmen
und auf die Dörfer seinen Weg, wurde aber immer noch als städtisches Gewerbe betrachtet
und von den Klöpplern auf den Dörfern eine städtische Abgabe. das Schutz- oder Kloppel-
geld, erhoben. Dieses letztere nun war die erste Veranlassung, dass das Kloppeln ein Ge-
genstand der sächsischen Gesetzgebung wurde (Befehl vom l. Mai 1609). Später kam es
nur zu oft vor, dass die sächsische Regierung auf Antrag der Spitzenfabrikanten einerseits.
wie nicht minder auf Beschwerden der Kloppelleute andererseits einschreiten und einge-
schlichene Uebelstände, Missbräuche und Gebrechen im Verordnungs- und Gesetzeswege
abstellen musste. Leider liess sich auf diesem Wege wohl Etwas, doch nicht Alles errei-
chen, und es blieb bei der weitern Verbreitung des Spitzenkloppelns und bei dem ver-
lockenden Gewinne des Handels mit Spitzen nicht ausgeschlossen, dass durch die Con-
currenz der Fabrikanten unter sich und der Klöppelleute, durch Bedrückungen auf der
einen und durch Unredlichkeiten und den Hang zur Unabhängigkeit auf der andern Seite.
der sächsischen Spitzenindustrie die empfindlichsten Nachtheile erwuchsen und Unordnungen.
Ungesetzlichkeiten und Vergehen aller Art in diesem, wie fast in keinem andern Erwerbs-
ebiete sich einschlichen. Als die Uebelstande endlich auch die Solidität und die Vervoll-
kommnung der Spitzenfabrikate beeinträchtigten; das frühere patriarchalische Verhaltniss
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mehr und mehr sich löste; der solide Fabrikant
nach Verlust seiner Arbeiter, seiner Muster und theilweise auch der gegebenen Vorschüsse
lieber seine Fabrikation ganz aufgab, als es den Factoren und Arbeitern an Unredlichkeit
gleich- oder zuvorzuthun, und als das ganze Spitzengeschaft anfing, in die Hände der Vor-
käufer überzugehen undldiese ein unentbehrliches Mittelglied zwischen dem Grossisten und
den Arbeitern wurden: da erkannte man mit Schrecken, wohin es mit der erzgebirgischen
Spitgenindustrie gekommen. Dieselbe dem Lande zu erhalten und wieder zu Ehren zu
bringen; dem höchst verderblich wirkenden Schlendrian entgegenzuwirken und das Spitzen-
kloppeln zu einem dauernd lohnenden Erwerbszweige für das Erzgebirge umzugestalten.
sah man sich nach den hiefür geeignetsten Mitteln und Wegen um.
ln richtiger Beuttheilung der damaligen l.age und Verhältnisse glaubte man diesen
Zweck nur durch Heranbildung tüchtig geschulter Arbeitskräfte erreichen und diese wieder
nur durch Errichtung guter Privatanstalten erlangen zu können. Einmal zu dieser Ueber-
zeugung gelangt, ging man rasch ans Werk, und schon zu Anfang dieses Jahrhunderts
entstanden die ersten Klöppel- oder Spitzenschulen.
Die vermögenderen und leistungsfähigeren Spitzenfabrikanten in Schneeberg waren
es. welche in dieser Richtung den übrigen mit gutem Beispiele vorangingen, und wohl
nicht mit Unrecht darf man behaupten, dass von dieser Zeit an Schneeberg, wie ehedem
Annaberg, Vorort der sächsischen Spitzenmanufactur wurde.
Vielleicht, dass man sich nicht gleich von den Erfolgen dieser Schulen überzeugen
konnte, oder dass in Folge mangelhafter Organisation derselben diese Erfolge nicht die er-
warteten waren, oder aber die Einrichtung und Unterhaltung solcher Schulen zu grossc
Opfer erheischten: genug, das Beispiel der Schneeberger Fabrikanten fand nicht den ver-
holften Anklang und nur in Neustadtel, Crottendorf, Pühla und einigen anderen Orten
entstanden dergleichen Anstalten. Erst nachdem im Jahre t8t8 in Ehrenfriedersdorf eine
königl. Klöppelschule begründet, für dieselbe ein besonderes Regulativ entworfen, dasselbe
durch Rescript vom 18. Janner i8t9 genehmigt und sodann eingeführt worden war, und
in Folge ihrer Organisation und ihrer tüchtigen Leitung diese Schule zu einer Muster-
anstalt für die damalige Zeit sich emporschwang, wurde nicht nur Seiten der Fabrikanten
und Schulverleger, sondern auch Seiten vieler Stadträthe und Gemeindebehörden das Be-
dürfniss solcher Anstalten lebhafter gefühlt und der Wunsch nach Errichtung kbnigl.
Klöppelschulen lauter und lauter ausgesprochen. ,
Wo ein wirklichesßßedürfniss vorlag und die Gemeindevertretungen, um die Staats-
easse nicht zu sehr zu belasten und das Interesse an diesen Schulen wach zu erhalten.
auch ihrerseits zu Unterhaltung derselben nach Kräften beizutragen sich verbindlich machten.
hat sich die süchs. Staatsregierung stets willfahrig gezeigt, nie aber den Zweck derselben,
die technische Aus- und Durchbildung ihrer Zöglinge und damit die Hebung der sächs.
Spitzeninanufactur, aus den Augen verloren.