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fast in die kleinsten und intimsten Einzelheiten eindringen; manchmal stellt
uns jedoch die Fülle, vorläufig unvermittelter, Nachrichten vor immer neue
Fragen. Wir können diese jedoch nicht lösen, wenn sie einstweilen nicht
wenigstens aufgeworfen sind. Die Gefahr, daß die Antworten einmal anders
ausfallen, als wir heute vielleicht vermuten, darf uns dabei nicht zurück-
schrecken. Und dann erkennen wir auch, wie vorsichtig man mit rein stil-
kritischen Untersuchungen gerade bei der Barockkunst sein muß; denn es
ist oft eine ganze Reihe von Künstlern, die an der Gestaltung eines und
desselben Werkes zusammenwirkt, so daß die Leistung des einzelnen gegen
die der Zeit sehr häufig zurücktritt?
DAS SCHWERT DES HEILIGEN STEPHAN
IM PRAYGER DOMSCHATZSIP VON ANTON
MATEJCEK-WIEN s:-
ASS ich die Provenienzfrage des der kunstgeschicht-
lichen Forschung nicht unbekannten Schwertes
des heiligen Stephan im vorliegenden Aufsatz
nochmals berühre, geschieht aus dem Bestreben,
dieser Frage, die noch immer der endgültigen
Lösung harrt, auf Grund des vorhandenen
Vergleichsmaterials näher zu treten. Seitdem
F. Bock das Schwert zum erstenmal im Anhang
zu seiner Publikation „Die Kleinodien des heiligen
römischen Reiches" (Wien 1864) und später in den
„Mitteilungen der k. k. Zentralkommission" (XV,
1870, Seite 14, Abb. 23) abgebildet und besprochen hat, wandte die Forschung
diesem interessanten Denkmal öfters ihre Aufmerksamkeit zu. Zuerst hat
man sich mit dem Abschreiben von Bocks Ausführungen und Kopieren der
" Da wir hier ziemlich viel über die Hofhurgkapelle sprechen rnußten, so benützen wir die Gelegen-
heit, um zwei kleine Irrtümer zu berichtigen, die bei den Unterschriften der Abbildungen rg und z: in dem
bereits angeführten Werke über die „Baugeschichte der k. lt. Hofburg in Wien" („Österreichische Kunst-
topographie", Band XIV. Wien 1914) unterlaufen sind. Bei der Fillle der Einzelheiten, aus denen eine
solche Arbeit herauswächst, wird man den Irrtum oder das Übersehen wohl entschuldbar linden; denn es
handelt sich eigentlich nur um irrtümlich unter die Abbildungen geratene, bloß filr Studienzwecke bestimmte,
Autorvermerke (darum auch noch die Fragezeichen bei den Unterschriften). Wie schon an anderer Stelle
(vgl. den Bericht über den Deutschen Historikertag vom jahre 1913 im Auszuge der Festrede des Verfassers)
hervorgehoben, stellt die eine Figur (Abb. 2a) natürlich nicht die heilige Barbara, sondern die heilige Katharina
dar, mit der Gestalt des überwundenen Heidentums zu ihren Filßen. Ferner erscheint die zweite Statue (auf
Abb. rg) wohl nur durch die, im Texte erwähnte, Überkalkung der ganzen Bildwerke als weibliche Figur und
soll, wie uns Herr Dozent Dr. Robert Stiassny in dankenswerter Weise aufmerksam macht, offenbar den
heiligen Ägidius mit dem Rehe darstellen.
An der Hauptsache unserer Feststellungen, dem engeren oder weiteren Zusammenhange dieser Statuen
mit Nikolaus von Leiden, der unseres Wissens nicht bezweifelt worden ist, ändert dies übrigens durchaus nichts.
Einige andere Ergänzungen, die wir unseren Untersuchungen der Hofburg beifügen könnten, hoHen wir
in nicht zu ferner Zeit im Zusammenhang und an einem Orte bringen zu können, wo man sie von vornherein
suchen wird, so daß wir holien dürfen, die Geschichte dieses Mittelpunktes österreichischer Kunst, auf den man
stets wieder bingelenkt wird, allmählich immer mehr klären zu können.