welcher der betreffenden Schule zur Verfügung steht. Ein Lehrplan soll
keine Zwangsjacke sein, sondern ein Kleid, in dem man sich wohl fühlt
und in welchem Schüler und Lehrer nicht in ihrer freien Bewegung und
im Fortschreiten gehindert sind. Und es scheint, dass die sehr beschränkte
Stundenzahl für das Zeichnen an Realschulen als eine Zwangsjacke em-
pfunden wird, welche der Entfaltung des Talentes hindernd in den
Weg tritt.
Ein weiteres Hinderniss für den Zeichenunterricht im figuralen Fache
an Realschulen ist der Mangel an liguraleu Vorlagewerken, sowohl an
Gypsgüssen, als speciell an Blattvorlagen für das figurale Kopfzeichnen.
Was uns der deutsche Markt bisher geboten hat, ist fast vollständig un-
genügend. Die vom Berliner Museum nach Originalen geformten Gyps-
köpfe, sowohl von Renaissance- als von antiken Originalen sind für unsere
Schulen viel zu theuer.
Ganz eminent sind ebenfalls einige photographirte Blätter nach
Originalzeichnungen alter Meister im k. Kupferstich-Cabinet in Berlin,
welche Fr. Lippmann mustergiltig herausgegeben hat; aber auch diese
Publication ist nicht im Interesse der Schule, sondern in dem der Amateurs
und Museen geschaffen. Da bleibt unter allen Publicationen für die Be-
dürfnisse des Kunstunterrichtes außer Ravaisson im figuralen Fache
nichts übrig, als das von Goupil veröffentlichte Werk von Bargue und
Gerome.
Prof. J. Langl hat vollständig recht, wenn er auf dieses Werk
hinweist; es führt in die großen Meisterwerke des Alterthums und der
Renaissance ein, ohne moderne Meister gänzlich auszuschließen. Mit den
jetzt gebrauchten figuralen Vorlageblättern wird der Geist der Jugend
nicht nach aufwärts und vorwärts, sondern nach rückwärts dirigirt. Es
ist dies der große Vorzug der Vorlagen von Bargue und Gerome,
dass sie auf den großen Fundamenten der französischen Akademie ruhen,
dem Studium der Antike, der Natur und der großen Meister. Von diesen
Grundlagen sind die Franzosen seit der Zeit der Gründung der Akademie
durch Colbert nicht abgegangen; es herrscht in Folge dessen auch in
ganz Frankreich eine gleiche Anschauung über die Grundprincipien des
Zeichenunterrichtes. Diese Sicherheit, mit der die Franzosen vorgehen,
spiegelt sich auch in dem genannten Werke ab, und die große Verbrei-
tung, welche dasselbe in Oesterreich und wahrscheinlich auch in ganz
Deutschland hat, beruht auf der sichern Erkenntniss dessen, was im Zeichen-
unterrichte an Vorlageblättern benöthigt wird. In Deutschland hingegen
hat der Kampf der Romantiker gegen die Antike und gegen die colo-
ristischen Malerschulen das Studium der alten Meister des 15. und 16. Jahr-
hunderts, die Anschauungen über die großen Principien im f-iguralen
Zeichenunterrichte verwirrt und bei der in Deutschland herrschenden
Neigung der Verherrlichung localer Grössen ist die klare Erkenntniss der
großen Meister in der Malerei in den Hintergrund gedrängt worden 'und