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Hoher du gegenwärtigen Stand der Vorarbeiten ftr die Aufstellung der kals. Geuilde-
galerie In aaaea Hofluuun.
Vortrag, gehalten im Alterthumsvereine zu Wien am 19. März 1875,
von Eduard R. v. Engerth.
Der Vortrag, welcher vom Freih. v. Sacken über die Aufstellung der Alterthums-
aamrnlungen im neuen kunsthistorischen Museum jüngst an dieser Stelle gehalten worden
ist, hat das Verlangen rege gemacht, auch über die Art der Neuaufstellung der Gemälde-
galerie etwas zu vernehmen. lch entspreche der in dieser Richtung an mich ergangenen
Aufforderung, bitte Sie aber, das, was ich heute sage, als Einleitung, als einen Anfang
anzusehen und mir zu gestatten, im Verlaufe der ferneren Arbeiten noch einmal auf diese"
Angelegenheit zurückkommen zu dürfen. Denn der Umstand, dass es sich in diesem Falle
nicht nur um eine einfache Uebersiedlung in ein neues Haus, sondern um eine gänzliche
Neugestaltung der Galerie nach jeder Richtung hin handelt, wird es wohl als gerecht-
fertigt erscheinen lassen, wenn nicht jetzt schon, mehrere Jahre vor dem Eintreten der
Uebersiedlung, Alles und in allen Theilen fertig und abgeschlossen vorliegt.
lch beginne mit jenem Theile der Arbeit, welche mir gleich bei meiner Ueber-
nahme als die dringlichste erschienen ist, ich meine: die neue Katalogisirung der Galerie.
Die Versuche, der kais. Galerie einen beschreibenden Katalog zu geben, sind so
alt als ihre Aufstellung im Belvedere. Sie haben aber alle kein Glück gehabt. Schon
Christian v. Mechel, der diese Aufstellung 1777 besorgte und das erste Verzeichniss 1781
verfasste, nahm sich vor, diesem bald einen uCatalogue raisonnew folgen zu lassen.
Man muss bedauern, dass es nicht dazu gekommen ist, denn dieser in Kunstsachen
sehr erfahrene Mann hatte gewiss Manches zu sagen gewusst, was für uns von Interesse
sein könnte.
Die nächste Umgestaltung der Galerie, hervorgerufen durch weitere Vermehrungen,
besorgte Director Joseph Rosa. Sein Katalog ist unvollständig und ist auch sehr bald
ausser Gebrauch gekommen, weil die Galerie nach der Rückkehr der Anno 1809 zum
Theil nach Ungarn geilüchteten und zum Theil nach Paris entführten Bilder abermals
eine Neuaufstellung erfuhr, welche Füger besorgte. Es war nun an diesem, für einen
neuen Katalog zu sorgen. Er hatte auch den besten Willen, aber er kam nicht über die
Vorrede hinaus. Inzwischen, bis zum Erscheinen des Kataloges, sollten geschriebene
Blätter, die man in jedem Zimmer anbrachte, dem Bedürfnisse genügen. Das Provisorium
dauerte fort bis zum Jahre 1837, in welchem Albrecht KraGt seinen ersten Katalog her-
ausgab. Er fasste gleichzeitig den Entschluss, diesem bald einen historisch-kritischen
Katalog folgen zu lassen, und betrieb diese Arbeit mit seltenem Eifer und Erfolg.
Dieser ausgezeichnete Gelehrte hat sich durch seine Erforschungen der Daten für
eine eingehende Geschichte der kais. Galerie ein unvergangliches Verdienst erworben.
Als Sohn des Malers und Directors der Galerie hatte er Gelegenheit, von Kindheit an die
Schätze des Belvedere kennen und die Kunst lieben zu lernen. Mit grosser Genauigkeit
und Ausführlichkeit begann er sein Werk, aber er sollte nur die Mühe und nichts von
den Früchten derselben haben, denn mitten unter diesen Arbeiten ereilte ihn der Tod.
Unter seinem Nachlass fand sich ein Theil seines Kataloges druckfertig, ein zweiter in
Vorbereitung; ausserdem aber noch ein reiches Material für die weiteren Ausführungen.
Der erste Theil ist im Jahre 1854 von Rudolf v. Eitelberger herausgegeben worden.
Er umfasst nur eine kleine Zahl der Bilder dieser Sammlung, aber er führt uns die ganze
Bedeutung des Verlustes vor Augen, welchen die Galerie durch den so früh eingetretenen
Tod des Autors erlitt.
Albrecht KratTt folgte in Kunstfragen dem Urtheile seines Vaters und acceptirte
die Anschauungen seiner Zeit. Er selbst legte das Hauptgewicht auf die Erforschung von
Daten, wozu ihn seine literarische Bildung und die Kenntniss von 14 Sprachen geeignet
machte. Leider ist das ganze Material, die Frucht langjähriger Arbeit, wenn es noch
existirt, bisher unbenutzt liegen geblieben.
Der nächste Versuch, der Galerie einen Katalog zu geben, wurde vom Galerie-
director Erasmus Engen gemacht.
Auch Engert hat damit begonnen, dass er ein kurz gefasstes Verzeichniss voraus-
sendete, um Zeit für die Studien für das grossere Werk zu gewinnen. '
Wenn Albrecht Kraift ausgezeichnet war durch schriftstellerische Vorzüge, so ver-
fügte dagegen Engert über ein ungewöhnliches Kunstverstandniss. Auch Erasmus Engert
starb, ohne sein Vorhaben, der Galerie einen historischen Katalog zu geben, ausführen zu
können. So ist denn diese Arbeit seit 90 Jahren fünfmal angefangen worden und nie-
mals zu Stande gekommen. .
Wenn ich nach den Ursachen dieser Thatsache suche, so finde ich, dass jeder
dieser Unternehmer sich anschickte, die ganze Arbeit allein zu machen, obwohl vier davon
am Abende ihres Lebens standen und der fünfte, Krafit, schon beim Beginn der Arbeit
den Keim des Todes in sich trug.