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doch erst heraustreten, als sich unter den Laien allgemeiner eine Gesinnung
verbreitet hatte, welche neben dem kirchlichen Leben auch das irdische
Leben gelten liess und den Muth fasste es reizend durchzubilden. Für die
Kunst ist das Auftreten dieser weltfrohen Sinnesart der Anfang des Mo-
dernen geworden.
In dieser Sinnesart ist Italien u. zw. im XV. Jahrhundert den anderen
Europäern voraufgegangen und in Italien wieder die fröhliche Stadt Florenz.
Dort brachten Fabrik, Handel, Gewerbe aller Art den Wohlstand her-
vor, der Wohlstand den Luxus, der Luxus die weltliche Kunst. Im Jahre
1478 zählte man dort 44 Werkstätten von i-Goldschmieden, Silberarbeitern,
Juwelirena und einer derselben renommirte, dass blos der Kehricht seiner
Werkstätte jährlich 800 Gulden werth sei. Domenico Bigordi, der grosse
Lehrer des Michelangelo in der Malerei, ererbte von seinem Vater den
Namen Ghirlandajo, den ihm die Florentiner Damen gegeben hatten, weil
er eine neue Gattung goldenen Haarschmucks erfand. In diesen Gold-
schmied-Ateliers erhielt eine grosse Anzahl Künstler ihre Ausbildung, welche
nachher Bildhauer und Maler geworden sind. Wie die Kunst, so begann
auch der ausübende Künstler zuerst mit dem Kunstgewerbe. Und mit dem
Kunstgewerbe blieb meist auch noch der berühmte Künstler des 15. Jahr-
hunderts in beständiger Verbindung; er wollte und konnte den "goldenen
Bodenu nicht missen, den ihm das Handwerk gewährte. Pollajuolo, als
er in Rom bereits Papstgräber goss, hielt in Florenz noch eine offene Bude
und nahm Bestellungen für Goldschmiedewaaren an. Jener Ghirlandajo,
der in sich Schöpferkraft genug fühlte, um, wenn sie bestellt würden, mit
Fresken die ganze Stadtmauer von Florenz zu füllen, fand ein solches
Gefallen daran zu arbeiten und Jedermann Genüge zu leisten, dass er sei-
nen Jungen befahl, jede Arbeit anzunehmen, die in seiner Werkstätte be-
stellt würde, wenn es auch Ringe zu Damenkörbchen (oder Reifen für
Reifröeke?) wären; wollten sie die nicht malen, so wolle er es thun, damit
keiner unbefriedigt aus seiner Bude gehe. (Vasari II. 2. 213.) Und diese
Werkstätte für alle Art der Schilderei setzte auch noch sein Sohn Ridolfo
bis in's 16. Jahrhundert fort, als er bereits Freund und Gehilfe des grossen
Raphael geworden und so viel daheim zu thun hatte, dass er diesem ab-
schlagenkonnte, ihm nach Rom zu folgen. Ridolfo wies ebenfalls keine
Arbeit ab, waren es gleich Theaterdecorationen, Fähnlein, Standarten und
ähnliche Dinge; er hielt in seiner Werkstatt dafür viele junge Leute als
Gesellen. (Vasari V. 18.) Der grosse Meister der Arabeskendecoration Gio-
vanni von Udine, nachdem seine glänzende römische Zeit unter Raphael
vorüber war, malte daheim in aller Bescheidenheit Paniere und Processions-
fahnen. (Vasari V. 32.)
Denn besonders in Florenz waren unter den ersten Medici die Maler
so zahlreich, dass sie unmöglich ihre volle Nahrung von Kirchenbildern
haben konnten. Man warf sich auf die mannigfaltigsten gewerblichen Ar-
beiten, wenn diese nur die Möglichkeit einer farbigen Bemalung darboten.