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deckel festhaften, finden wir in dem bekannten Werke von I-Iefner-
Alteneck: Kunstwerke, Geräthschaften etc. abgebildet. Ein spät-mittel-
alterlicher Wappenhalter, ein fein modellirter Gewandengel mit dem
Wappen der Carrara führt uns zu jener Periode der Kunstgesgeschichte,
in welcher Gothik und Renaissance in ihrer Wechselwirkung ein ähnliches
Schauspiel darbieten wie zwei Wellensysteme, die mit einander inter-
feriren, oder wie zwei ungleich mächtige Flüsse, die sich vereinigen. Zuerst
unterscheidet man noch eine Strecke weit die Farbe und Strömung des
Nebenflusses, dann verschwindet scheinbar jede Spur des beigemischten
Elementes. Diese Periode ist in der Ausstellung reich illustrirt, besonders
durch eine Suite von getriebenen Schüsseln mit allen Kennzeichen der
absterbenden Gothik. (Vergl. Nr. 6x2 bis 6:9.) Die genannten Producte
des Kunsthandwerkes mögen in einzelnen Fällen bis in die Mitte des
XVI. Jahrhunderts hineinreichen. Die neue Kunstweise, im gegebenen
Falle die Renaissance, die als mächtiger Strom von Italien aus schon
gegen Ende des XV. Jahrhunderts alle Lande überschwernmte, vermochte
eben nicht allsogleich sich an Stelle des eingebürgerten alten Styles
zu setzen.
An Gegenständen der zum Siege durchgedrungenen Renaissance ist
auf der historischen Bronze-Ausstellung kein Mangel. Viel schöne Güsse
aus aller Herren Länder haben sich da ein Stelldichein gegeben. Italien
aber dominirt, und das gewiß nicht zum Nachtheile der Ausstellung.
Kaum dürfte es nöthig sein, unsere Leser auf die Beachtung der
Gegenstände dieser Kunstperiode hinzuweisen. Ganz von selbst fühlt sich
Jedermann zu den Figuren und Geräthen jener Zeit hingezogen. Zudem
ist ein Hauptvertreter der Renaissance auf der Ausstellung für jeden
Besucher sehr augenfällig. Ich meine den in der Mitte des Säulenhofes
postirten großen nWenzels-Leuchteru aus dem Prager Dome, einen Nürn-
berger Guß um r532. Eine lateinische Rundschrift am Sockel besagt,
dass die Bruderschaft der Brauer zu Prag (Altstadt) den Candelaber in
jenem Jahre dem Dome geweiht habe zum Andenken an die Errettung
aus Feindesnoth. Zwei stylisirte Löwen an dem Sockel halten das Wappen
der Prager Brauer, ein dritter das der Altstadt. Die halb lebensgroße
Figur des heiligen Wenzel, welche auf dem Sockel steht ist von einem
dreitheiligen Baldachin bedeckt; dieser erst trägt den eigentlichen Leuchter.
Der Stylcharakter weist auf Peter Vischers Werkstätte.
Deutscher Provenienz dürften auch die drei charaktervollen Figuren
sein, welche aus der silbernen Capelle der Hofburg in Innsbruck zur
Ausstellung gesendet worden sind. Schönherr hält sie für Güsse aus
Godels Werkstätte.
Vieles wäre zu sagen von einem ganzen Schrank voll Gefäße und
Geräthe aus der Zeit der Renaissance, von dem EinHusse der Antike, der
sich hier allenthalben zeigt, von der Entwicklungsgeschichte einzelner
Ornamentmotive und vielem Anderen. Bezüglich des Einflusses der Antike