in jener Bedeutung, welche sich in der Redensart ausdrücke: dass man an Etwas Ge-
schmack finde; und die Aufgabe seiner weiteren Auseinandersetzungen sei, darzulegen,
welchen Einfluss 'eser Geschmack in des Wortes weitester Bedeutung und zwar im sub-
jectiven wie objectiven Sinne auf die Entwickelung der wirthschaftlichen Beziehungen
der Menschen, das ist auf Pruduction, Consumtion und Verkehr austibt. Der Redner
charakterisirt hierauf den Antheil der einzelnen Sinne an der Bethatigung des Geschmackes,
sowie an dem daraus entstehenden Wunsche, den Geschmack zu befriedigen. Die Mog-
lichkeit diesen Wunsch zu erfüllen, und zwar in immer steigendem Maße zu erfüllen,
sei dem Menschen durch die Müglichkeit zu erfinden gegeben. An die ursprünglichen
Ertindungen schloss sich die Erkenntniss von der Nützlichkeit der Anhäufung von Vor-
rathen sowie von der Möglichkeit, dass auch Einer für den Andern arbeiten könne; so
entstanden Capital, Theilung der Arbeit und Tauschverkehr, die Anfänge und Grund-
lagen des Wirthschaftslebens. Dabei spielte aber die Hauptrolle das Bestreben, sich das
Leben angenehmer zu gestalten. Es waren also die ersten Regungen des Geschmackes,
welche in Verbindung mit der Fähigkeit des Erfmdens von dem rein thierisch-instinc-
tiven Triebe zur Erhaltung der eigenen Existenz den Menschen ernporhob zur zweck-
bewussten Arbeit, zur wirthschaftlichen Production; und wieder war es nur die weitere
Entwickelung des Geschmackes, welche von Stufe zu Stufe die Genussfähigkcit und mit
dieser die Zahl der Bedürfnisse steigernd, auch den Werth und die Zahl der Kräfte,
welche für die Befriedigung dieser Bedürfnisse in Verwendung kommen, entsprechend
erhöhte und damit auch die Mbglichkeit der Erhaltung ungezahlter Mengen von mensch-
lichen Existenzen schuf. welche ohne diese Vorbedingung theils'nie das Licht der Welt
erblickt hatten, theils elend zu Grunde gehen müssten. Darin liege die wirthschaftliche
Rolle und zugleich der wirthschaftliche Werth des Geschmackes. -- Im zweiten Vortrage
sprach Redner zunächst von der mit der Cultur steigenden Empfänglichkeit und Genuss-
fahigkeit der Menschen; er gab eine kurze Charakteristik des Luxus und wies hiebei
nach, dass fast Alles, was heutzutage in civilisirten Landern bis zu den untersten Classen
hinab als berechtigtes und unabweisbares Bedurfniss anerkannt wird, ursprünglich Ge-
genstand des Luxus gewesen; er sprach von den Ausartungen des Geschmackes und
von den schädlichen Folgen derselben, und wies sodann nach, wie sehr eine allgemeine
Hebung des Geschmackes innerhalb der berechtigten Grenzen durch die daraus ent-
stehenden Wechselbeziehungen das Niveau des allgemeinen Wohlstandes und der all-
gemeinen Zufriedenheit hebe. Die bisher hauptsächlich besprochene Empfänglichkeit für
Genüsse in Verbindung mit der daraus hervorgehenden Begehrlichkeit bezeichnete der
Vortragende als receptiiien Geschmack und stellt diesem gegenüber die Fähigkeit, solche
Dinge zu erzeugen, welche den Genuss, für den jene Empfänglichkeit und Begehrlichkeit
vorhanden ist, gewähren können; diese Fähigkeit nennt er den productiven Geschmack.
Der wichtigste und wirthschaftlich werthvollste Bestandiheil des productiven Geschmackes
sei die Erfindung, weil sie das eigentlich werthschaffende Element auf dem Gebiete
des Geschmackes darstelle. lm einzelnen Producte sei die iverthschatferide Rolle des
erfindenden Geschmackes um so wichtiger, je großer der Unterschied zwischen dem
Preise des Productes und dem des dazu verwendeten Materiales sei. Andererseits sei
auch der Werth der Erfindung ein um so höherer, je mehr Personen der erfundene
Gegenstand gefallt, und den wirthschaftlich höchsten Platz auf diesem Gebiete nimmt
ein, wer einen Typus schafft, der sich die Welt erobert. Wenn nun in einem Volke
der productive Geschmack zu einer Nationaleigenschaft geworden sei, so erhalte dadurch
dasselbe eine große wirthschaftliche Superioritat über die anderen Volker. Redner wies
hierauf an verschiedenen Beispielen den concreten Werth bestimmter productiver Ge-
schmacksaußerungen nach und kam zu dem Schlusse, dass die Hebung des productiven
Geschmackes ein im wirthschaftlichen Interesse des Volkes anzustrebendes Ziel sei. Das
wirthschaftliche Princip, nach welchem hiebei vorzugehen, findet er darin, dass man die
geschäftlichen Hoffnungen, welche den Antrieb zu einer Thatigkeit productiven Ge-
schmackes gehen, au_s dem Gebiete des Glückes oder blinden Zufalles auf den Boden
einer vernünftigen Wahrscheinlichkeitsrechnung führe, beziehungsweise diesen Boden für
sie schaffe. Dies sei aber Aufgabe der_Erziehung im großen Style. Nach weiterer Aus-
führung dieses Gedankens kam Redner darauf zu sprechen, wie wichtig es sei, auch bei
solchen Producten, welche für sich nicht in das Gebiet des Geschmackes fallen, gefällig
auszustatten, damit durch die äußere Erscheinung die Begehrlichkeit des Käufers erweckt
werde. Das Gesammtergebniss der Auseinandersetzungen des zweiten Vortrages fasste
Redner in dem Satze zusammen: Der recepiive Geschmack, d. i. die Empfänglichkeit für
die mannigfaltigsten Genüsse durch Sinneswahrnehmung und die daraus entstehende
Begehrlichkeit bilden das Ausnützungsobject für den productiven Geschmack, d. i. die
Fähigkeit, solche Gegenstände oder Combinationen von Gegenständen zu erhnden, welche
Genuss zu erzeugen im Stande sind. Die gegenseitige Steigerung dieser beiden psycho-
logischen Eigenschaften führt zur Entwickelung der wirthschaftlichen Beziehungen. Für
den productiven Geschmack aber ist die Grundlage des materiellen Gedeihens das rich-
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