Viele ein solches mehr wie einen hübschen Schmuck, eine Art Spielerei,
als wie eine Uebungsstätte künstlerischer Anschauungen und geistiger Bil-
dung betrachten.
Wir sahen bereits, wie unter den Exercitienmeistern seit Ende
des 17. Jahrhunderts auch Lehrer der Musik und Zeichenkunst auftraten,
so bei der Begründung von Halle 1695. Es war ein grosser Fortschritt,
als in Leipzig eine Abzweigung der neu gegründeten Kunstakademie in
Dresden eingerichtet ward mit der speciellen Aufgabe, neben der prakti-
schen Vorübung im anatomischen Zeichnen vor Allem die Studirenden
in die Perspective und in die Theorie des Zeichnens einzuführen, Geschmack
der Kunst unter ihnen zu verbreiten. Und wahrlich, die Lehren des als
Künstler mittelmässigen, aber als Lehrer treiTlichen Oeser haben reiche
Früchte an seinen Schülern getragen. Goethe sprach es laut aus: er
habe ihm den Weg zum Schönen gezeigt. In der That ist die beschei-
dene aber stetige Thätigkeit jener Zeichenakadernien und Zeichen-
institute, wie sie noch heute in Göttingen, Tübingen, Leipzig wirken,
viel höher anzuschlagen als man gewöhnlich meint.
Es lag dem vorwärtsdrängenden, den Unterricht oft gewaltsam refor-
mirenden Geiste jener Zeit sehr nahe, geradezu akademische Anstalten zu
schaden, in denen Wissenschaft und Kunst praktisch neben ein-
ander getrieben wurden. Ich meine das Carolinum in Braunschweig,
vor Allem die hohe Karlsschule auf der Solitude bei, dann in Stuttgart
selbst. Hier haben thatsächlich die Zöglinge der bildenden Künste, Malerei,
Bildhauerei, Decorirkunst, der Gartenkunst, der Musik, des Schauspieles,
sogar des Balletes rnit den Medicinern, den Juristen, Cameralisten, Mili-
tärs, Handlungsbeflissenen in einer einzigen, grossen akademischen Anstalt
sich zusammengefunden. Und welche Fülle ausgezeichneter Männer nach
allen Seiten hin ist aus dieser so kurzlebigen Karlsakademie hervor-
gegangen! Gewiss war ihre Schöpfung ein Irrthum und dennoch lag die-
seru ein sehr richtiger Instinct für die Einrichtung anderer grösseren Bil-
dungsanstalten neben der Universität zu Grunde und dabei ein tiefes
Gefühl der Gemeinsamkeit, die damals alle höheren Lebensaufgaben durch-
drang. Einzelne Reste einer Verbindung des Baufaches mit unserer Uni-
versität haben sich bis in die jüngste Vergangenheit erhalten gehabt und
auf der Universität Giessen z. B. gibt es noch heute einen Professor der
Architektur und praktische Curse darin.
Es war im Jahre 177i, als der junge Doctor der Rechte auf der
Universität Strassburg, dern wir bei Oeser bereits begegneten, jenen herr-
lichen Hymnus auf die deutsche Baukunst als Ehrenkranz auf das ver-
gesisene Grab Erwin's von Steinbach niederlegte und damit der ganzen
herrschenden Kunstbeurtheilung, der einseitigen Verehrung des sogenannt
Classischen und zugleich des Modernen den Krieg erklärte. Fast 30 Jahre
später hat ein Tieck, ein Novalis, die beiden Schlegel und ein Kreis
junger talentvoller Künstler in Rom, aus deren Mitte ein Cornelius