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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1874 / 105)

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Alle Theile des menschlichen Körpers stehen mit einander in so inni- 
gem Zusammenhange, dass gewisse Eigenthümlichkeiten des einen Organ- 
complexes bestimmten Eigenschaften des andern entsprechen. 
Die Stütze des menschlichen Körpers, das Gerüste, an dem sich alles 
andere aufbaut, ist das Gerippe, das Skelet. Es besteht aus einer grossen 
Zahl (240) einzelner Knochen, die theils beweglich, theils unbeweglich mit- 
einander verbunden sind. Das Knodhengerüste soll die Grundlage des 
anatomischen Wissens des Künstlers bilden. vHast du dieses Gebäude 
gut im Gedächtniss-l, lese ich bei Cellini, nso wirst du weder bei nackten 
noch bei bekleideten Figuren einen Irrthum begehen, welches viel gesagt 
ist.u Das Skelet, wiewohl zum grüssten Theile von dickeren .Weichtheil- 
massen überkleidet, ist das Fundament der Form. 
Der bedeutsamste, wichtigste Theil des menschlichen Körpers, das 
Haupt, verdankt seiner knöchernen Grundlage das wesentlichste seiner 
äusseren Form. Wie den menschlichen Schädel das bestimmte Verhältniss 
zwischen Gehirn- und Gesichtstheil, das Ueberwiegen des ersteren über 
den letzteren, seine gerundete Form, die schöne Harmonie der für die Auf- 
nahme der Sinnesorgane bestimmten Höhlen, das Vorhandensein einer 
Stirne und eines Kinns vor allen Thierschädeln auszeichnet, so dass, wenn 
er auch als starre unbelebte knöcherne Masse vor uns liegt, immer etwas 
Erhabenes, Geistiges aus ihm hervorblickt, so geben die vielfältigen Modu- 
lationen dieser Verhältnisse auch den einzelnen Individuen ein bestimmtes 
Gepräge. Der physiognomische Ausdruck ist nicht allein vorn Spiele der 
Gesichtsmuskeln abhängig, er ist zum grossen Theile in der Gestalt der 
Gesichts- und Schädelknochen vorgebildet. Der knöcherne Schädel zeigt 
in verschiedenen Altersperioden verschiedene charakteristische Formen. Der 
Typus eines kindlichen Kopfes, wie desjenigen eines erwachsenen Mannes 
und des Greises ist an den knöchernen Grundlagen des Hauptes deutlich 
und unverkennbar ausgesprochen. 
Der Schädel ruht auf einer gegliederten Säule, der Wirbelsäule, deren 
einzelne Elemente, die Wirbel, durch elastische Bandscheiben aneinander- 
gefügt sind. Die Wirbelsäule des Kindes ist ursprünglich fast geradlinig. 
Durch den aufrechten Gang des Menschen entwickeln sich in ihren ein- 
zelnen Abschnitten bestimmte Krümmungen: die Hals- und Lendenwirbel- 
säule erscheinen nach vorne, die Brustwirbelsäule und das Kreuzbein nach 
rückwärts convex. Diese normalen Biegungen der Wirbelsäule setzen eine 
Schlangenlinie zusammen, die im hohen Alter wieder zu einem einzigen 
nach rückwärts convexen Bogen wird. 
Die iz Brustwirbel tragen, durch gelenkige Verbindung eingefügt, 
die Rippen, die in der vorderen Mittellinie des Körpers mit dem Brust- 
bein sich vereinigen. Brustwirbelsäule, Rippenund Brustbein bilden den 
Brustkorb, an dem gleichfalls bestimmte Alters- und Geschlechtsunterschiede 
sich vorfinden. Wie viel Varietäten in der Form des Brustkorbes bei ver- 
schiedenen-Menschen vorkommen und wie sehr die Gestalt des Brustkastens 
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