fü: den Ausdruck der ganzen Figur von Belang ist, darauf brauche ich
nicht erst besonders aufmerksam zu machen. Das Bestimmende aber all'
dieser Formverschiedenheiten liegt im Skelete.
Während an der oberen Peripherie des Brustkorbes die beiden Arme
im sogenannten Schultergürtel nur durch ein Gelenk zwischen Schlüssel-
bein und Brustbein in Knochenverbindung stehen, die Schulterblätter an
den Rücken angelegt blos durch Weichtheile mit dem Rumpfe sich ver-
binden, bilden die dem Schlüsselbein und Schulterblatt entsprechenden
Theile der unteren Gliedmassen, die beiden Beckenknochen mit dem un-
teren Ende der Wirbelsäule, einen festen, knöchernen Ring, des Becken.
Eine für die Formunterschiede des männlichen und weiblichen Körpers
massgebende Differenz findet sich in der verschiedenartigen Gestaltung des
knöchernen Beckens.
An den Giiedmassen sind es hauptsächlich die in den Gelenken zu-
sammenstossenden Knochenenden, welche für die äussere Form von Be-
deurung sind. Ob die Knochen zart und gracil gebaut oder derb und
massig entwickelt sind, kommt an diesen Punkten am deutlichsten zum
Ausdruck. Hand und Fnss im engeren Sinne entsprechen in ihrer Form
vollkommen den zu Grunde liegenden Knochentheilen.
Es ist von Alters her das Bestreben und eine Aufgabe der Künstler
gewesen, bestimmte Regeln, eine Richtschnur, einen Canon für die Ver-
hältnisse eines schön gebauten menschlichen Körpers zu finden. Es han-
delt sich hierbei um die Feststellung von Messpunkten, die so gelegen
sein sollen, dass ihre Abstände bei allen Stellungen der Glieder die glei-
chen bleiben. Hofrath Prof. Langer hat vor mehreren Jahren an dieser
Stelle in zwei interessanten Vorlesungen diese Verhältnisse ausführlich be-
sprochen. Es ist von vomeherein klar, dass sich ein solches Meßschema
nur auf Punkte des Skeletes beziehen kann.
Wie einerseits die Proportionen des ruhenden oder bewegten Kör-
pers abhängig sind von den Massverhältnissen der Knochen, so sind auch
andererseits die Arten der Bewegung, die in bestimmten Gelenken aus-
geführt werden, durch die Gestalt der aneinandergleitenden überknorpelten
Gelenküächen gegeben, sowie ihre natürlichen Grenzen durch gewisse
Hemmungsvorrichtungeti, die entweder den Bandmassen des Gelenks oder
den Knochenenden selbst angehören, bestimmt. .
Was wir bis jetzt von dem Bau des menschlichen Körpers kennen
gelernt, bezog sich nur auf den dürren Knochenmann - und doch, wie
mannigfache Verschiedenheiten der äusseren Formen eines bewegten Kör-
pers finden ihre Erklärung in dieser knöchernen Grundlage.
Jeder organische Körper unterliegt einem fortwährenden Wechsel der
Form. Nebst den Wachsthumsverhältnissen sind für die Gestaltung des
Knochensysterns auch gewisse mechanische Einflüsse von Belang. Wieder-
holte, überwiegende Uebung einzelner Muskelgruppen bedingt mit der Zeit
eine Gestaltveräinderung der entsprechenden Skelettheile. Gewisse Beschäfti-