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geklöppelt war, diente dazu, an andere Spitzen einer feineren Gattung
angenäht zu werden. Die campane wurde auch in Gold- und Silberfäden,
desgleichen auch in farbiger Seide gewirkt, um Mäntel, Schürzen und sogar
Knöpfe damit zu garniren und zu überziehen. Eine besonders feine Gat-
tung von Spitzen nannte man Ia mignonnerte, welche auch blonde de f!
oder auch poin! de tulle hiess. Diese delicaten durchsichtigen Spitzen der
mignonnette wurden von dem feineren Leinengespinnst von Lille angefer-
tigt, welches auftAntwerpener Bleichen präparirt wurde. Diese letzte im
Handel sehr gesuchte Spitzengattung wurde besonders in den Thälern der
Auvergne, der Lorraine, der Schweiz und xiamentlich zu Arras und Bayeux
angefertigt. Die Anfertigung der sogenannten guipures an jil d'or e! d'ar-
gent, welche die Mitte halten zwischen dem eigentlichen Spitzenwerk und
den Posamentirarbeiten, wurde fast als Monopol in den grossen Industrie-
städten Paris und Lyon in den Tagen Louis XIV. schwunghaft betrie-
ben. Diese eben gedachten, im XVlI. Jahrhundert zumeist bekannten
Spitzengattungen, sowohl in Frankreich, als auch in den Nachbarländern
angefertigt, werden der Reihe nach aufgezählt in einem geistreich geschrie-
benen Gedicht, das die Ueberschrift trägt: La räuolte des passements").
Diese mit Satyre gewürzte Poesie, die den Luxus geisselt, der damals mit
theuern fremden Spitzen getrieben wurde, erschien in Folge eines Edictes
Ludwig's XIV., der unter dem 17. November des Jahres 1660 den Ge-
brauch der ausländischen kostspieligen Spitzen und Kanten vollständig
untersagte. Darüber nun ein grosses Jammern in der aristokratischen
Frauenwelt, obschon sich die Männer heimlich freuten, dass endlich ihren
Frauen beim Ankauf der äusserst kostspieligen Spitzen von Seiten des
Gesetzes eine heilsame Schranke gestellt wurde. Denn ungeheuere Summen
wanderten jährlich auf Nimmerwiederkehr aus Frankreich, um kolossale
Quantitäten der von der hohen Daruenwelt so sehr gesuchten und etfect-
vollen points de Bruxelles, points de Venise, de Genes, de Raguse etc.
anzukaufen. Was aber vermögen auf die Dauer noch so strenge Luxus-
gesetze gegen die Uebermacht der Mode? Heute erlassen, werden sie morgen
schon bei Seite geschoben und eröEnen dagegen den Einschwärzern und
Schmugglern einen äusserst ergiebigen Wirkungskreis.
Von der Richtigkeit des Gesagten überzeugte sich bald nach dem
Erlass des Edicts von 1660 der grosse Colbert, indem er als kluger Mini-
ster von der übcrgrossen Vorliebe für ausländisches Spitzenwerk im Inter-
esse der Staats-Revenuen Vortheile zu gewinnen suchte, anstatt wie früher
dem Uebel durch Luxusgesetze machtlos entgegen zu treten. Sein Augen-
merk richtete sich deswegen auf die erprobte Kunstfertigkeit einer Mm.
Gilbert aus Alencon gebürtig, die schon seit längerer Zeit mit gelungenen
') Dasselbe ist der Mlle. de 1a Trousse, der Nichte der Mrne. de Sävignä gewidmet
und findet sich dasselbe in dem wRecueil das pieces Ies plus ngreables de e: temps-r.
(Paris, chcz Ch. de Sercy. 1661.)