F92"
Gemächern nicht mehr sein Genüge finden. Einstweilen freilich macht
sich keine Ueberfüllung bemerklich, eben so wenig aber auch das Gegen-
theil. Was zu wünschen steht, ist nur häufig ein vortheilhafteres Licht,
als es möglich war, diesen Räumen im Hoch- und Tiefparterre zu geben.
Davon abgesehen, machen aber die Sammlungen durchaus den entsprechen-
den Eindruck. Was bisher dafür gekauft worden -- das Meiste rührt
noch von der Wiener Ausstellung her - ist durchaus zweckmässig, mit
Sachkenntniss ausgewählt. Was durch Geschenke hinzugekommen oder
aus anderen Sammlungen herübergenommen ist, bildet eine glückliche Er-
gänzung, so dass man mit Vergnügen bereits, wenn man nicht in die
Specialitäten eingeht, eine gewisse übersichtliche Vollständigkeit der kunst-
industriellen Arbeit vor sich sieht. Auch ist die Anordnung lehrreich und
zugleich die Aufstellung mit Geschmack vollzogen. Es war die freiwillige
Arbeit des Herrn Karl Pulszky und des Architekten Schickedanz,
die auch rechtzeitig für die Eröffnung einen gedruckten Katalog fertig
gestellt haben.
So ist der Anfang dieses Museums zwar klein, aber gut und man
kann auf ihm weiter bauen. Aber man muss es auch. Die Sache kann
nicht stehen bleiben, wo sie ist. Das Museum, wie es jetzt ist, hat hübsch
decorirte Räume, gut ausgewählte Gegenstände, die der Besucher des
Künstlerhauses mit Vergnügen betrachten wird. Aber es hat keinen Vor-
stand, keine Dotation, das will sagen: kein Betriebscapital, keine Mittel
zur Vergrösserung. Es geht aber nicht mit einem Museum dieser Art,
von dem man nicht stillen Genuss, sondern directen Nutzen für das Land
erwartet, dass man der ruhigen Wirkung der Kunstwerke allein vertraut.
Ohne sie durch Lehre, durch Thätigkeit, durch Verbreitung dem Publicum
und der Industrie näher zu bringen, sind sie todt für beide. Der Erfolg
hängt von den leitenden Persönlichkeiten ab und den Mitteln, die ihnen
zur Verfügung stehen.
Ohne Zweifel wird die ungarische Regierung 'auch diesen weiteren
Schritt vollziehen und durch Bestellung eines Directors und Gewährung
einer Dotation das Provisorium in ein Delinitivum verwandeln, wonach
erst eine regelmässige Wirksamkeit beginnen kann. Alsdann, wenn das
Museum richtig geleitet wird, sehen wir nicht ein, warum es nicht dem
Lande grosse Dienste leisten sollte. Zwar wird es ohne Frage auf grosse
Schwierigkeiten stossen, und die Hauptschwierigkeit ist die, dass das Land
überhaupt nicht im eigentlichen Sinne industriell ist und somit häufig
etwas neu geschaffen werden muss, wo es anderswo nur zu leiten gilt.
Aber Anknüpfungspunkte gibt es überall. Ich erinnere z. B. nur an zwei
Fabriken, welche gegenwärtig die Fayence-lndustrie in Angriff genommen
haben, an die von Szolnay in Fünfkirchen und die von Fischer in
Pest, desgleichen an die berühmte Herender Porcellanfabrik. Ebenso liesse
sich auf die Möbelfabrication, auf die Buchbinder- und Lederarbeiten so-
fort ein Einfluss gewinnen.