Nr. 3
Internationale Sammler - Zeitung
Seite 23
ärmel verbindet und stützt die lange Ausgußrohre. Je
nachdem dieser Arm zarter oder kräftiger gebildet ist,
bezeichnete der Volksmund im Berner Lande diese
Kannen als , Weiblein“ oder „Männlein“. Die gleiche
Gefäßform haben in der zweiten Hälfte des 16. Jahr
hunderts die Krugbäcker in Siegburg (bei Köln) und
in Raeren (bei Aachen) sowie die Töpfer des Nassau-
schen Kannenbäckerlandes für ihre vornehmsten Er
zeugnisse gewählt. Im Berner Oberland, im Simmental
und im Seeland, finden wir dieselbe allgemeine Kannen
form von ausgesprochener Birnform, jedoch ohne Aus
gußrohr. Als Kennzeichen für die Berner Herkunft
kann der im oberen Teile geschwungene, im unteren
Meister stellten, bevorzugte die zylindrische, oberhalb
der Standfläche auslaufende, also mehr flötenförmige
Kanne, dort Stitze genannt, die auch Solothurn ange
nommen und durch die Ausbildung des Schnabels zu
einer bärtigen männlichen Maske als Erzeugnis dieses
Kantones gekennzeichnet hat.
Im Kanton Zug entstanden zumeist glockenförmige
Kannen mit Schrauben Verschluß und großem Tragring,
in Zürich sechs- oder achtseitige Flaschen mit dem
gleichen großen Ring oberhalb desDeckels. InChur wurde
diese Foi m noch weiter ausgebildet, indem der Bodeni and
mit einem ornamentiertem Stab und der Röhrenansatz
mit einem Akanthusblatt geschmückt wurden.
Teile streng senkrecht zum 'Gefäßkörper absteigende
Henkel angesehen werden.
Eine andere künstlerisch schöne Form von mehr
kugelförmiger Leibung entstand in den Kantonen
Freiburg und Wallis. Das gekrönte F der häufig vor
kommenden Stadtprobe weist auf Freiburg als ein
Zentrum des Zinngießerhandwerkes in der westlichen
Schweiz. Aber auch hier entstand in der Waadt eine
Nebenform, bei welcher die Kugel- oder Zwiebelform
aufgegeben wurde und die Leibung ohne auffallende
Einschnürung den Fußrand anläuft. Als besonders
wertvoll gelten in der Walliser Gruppe die Kannen mit
schwerer Reiter Tragkette.
Basel, woselbst die Zinngießerfamilien Friden-
rich, Grijnäus, Linder und Wiek zahlreiche
Bern, Basel und Frei bürg waren die Haupt
zentren einer sich künstlerisch äußernden Betätigung
dieses Handwerkes in der Schweiz und reicht die Blüte
zeit vom. ausgehenden 16. bis weit in das 18. Jahrhundert.
Eine hübsche kulturgeschichtliche Studie über Schweizer
Zinnkannen aus der Feder des Dr. med. Gustav Bos
sär d, dessen Vorfahren unter den Zinngießern Bos-
hart in Zürich zu suchen sind, erschien bei Benteli
& Co. in Bümpliz—Bern.
Reliefiertes Zinn, das heißt in Formen mit ver
tieften Darstellungen gegossenes Zinn, hat die Schweiz
verhältnismäßig spät hergestellt. Es sind die bekannten
kleinen Teller mit den Darstellungen des Rütlischwures,
des Apfelschusses und der Kantonswappen. Ihre Her
stellung erfolgte in St. Gallen durch die Gießer Hans