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Die Weberschule in Schluckenau war die einzige ihrer Art, welche
ausstellte. Obwohl die Industrie größtentheils eine Leinenindustrie ist
(erst in jüngster Zeit hat sich eine Sammtfabrik aufgethan), wird doch
an dieser Schule ziemlich das ganze Feld der Weberei bearbeitet, die
Seide nicht ausgeschlossen, welche in zwei schönen weißen Geweben mit
gelbem Ornament vertreten ist. Auch Möbelstoffe werden mit Glück ver-
sucht; indessen wird der Schwerpunkt doch auf die Leinen- und Damast-
waaren gelegt. Den Neuerungen der Mode, welchen diese Erzeugnisse
unterworfen sind, wird in umfassender Weise Rechnung getragen. In
geschickter Weise werden gewebte und gesrickte italienische Borduren
nach Originalen des Nordböhmischen Gewerbemuseums zur decorativen
Handtuch-, Tischdecken- oder Serviettenweberei verwendet.
Endlich die kunstgewerblichen Fachschulen für Glasindustrie in
Steinschönau und Haida. Wenn man die vollendeten Leistungen dieser
beiden Schulen, wie sie unter der Leitung ihrer Dircctoren Leo Chilla
und Daniel Hartel geboten werden, betrachtet, und wenn man daneben
in der Lage war, die Erzeugnisse der einheimischen Industrie zu sehen,
von welcher beständig die Klage geht, dass sie sich auf bedenklichem
Rlickgange befindet, so weiß man nicht, was man an der Bevölkerung
mehr bewundern soll, den Indiflerentismus und Gleichmuth, mit welchem
sie dem Verfalle der Industrie entgegensehen, oder die verderbliche Be-
harrlichkeit und Zähigkeit, mit welcher sie den althergebrachten Weg
weiter treten, ohne den geringsten Blick in die Zukunft. Wenn die
böhmische Glasindustrie im Niedergange ist, so liegt es zum größten
Theile am Indifferentismus, an der Beharrlichkeit für das Hergebrachte
und an dem beschränkten Blick der Verfertiger. - Gravure und Malerei
der beiden Fachschulen stehen auf gleicher I-Iöhe. In der Gravure sind
das Rankenornament der italienischen Renaissance und das Rococo-
ornament die am meisten angewendeten und für die Glasgravure sich am
meisten eignenden Decorationsmotive. In der Malerei, werde sie nun mit'
gewöhnlichen Malfarben oder mit Emailfarben ausgeführt, wird der Decor
der Rouen-Fayencen, welche in Beinglas nachgeahmt werden, der indi-
schen Mooltan Keramiken, welche gleichfalls in Beinglas reproducirt
werden, dann besonders aber das arabische Linienornament und das
Ornament der streng stilisirten persischen Blume mit großem Erfolge
verwendet. Andere Stilarten gelangen seltener und mit weniger Glück
zur Verwendung. Aeußerst zahlreich und vollendet sind die praktischen
Arbeiten von Steinschönau, während Haida mit Zeichnungen dominirt,
worunter vorzügliche Aufnahmen nach Originalen des Nordböhmischen
Gewerbemuseums. Es kann hier überhaupt bei allen Schulen die Wahr-
nehmung gemacht werden, dass die Sammlungen des Nordböhmischen
Gewerbemuseums in ausgiebigster Weise benützt werden, und dass
andererseits die Anstalten am meisten auf der Höhe ihrer Aufgabe stehen,
welche solche Sammlungen am meisten benützen.