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3. Da die Vorbildung der Lehrlin e im Allgemeinen gering ist, so hat wäh-
rend der Lehrzeit in der Lehrwerkstatte noc ein Elementarunterricht stattzufinden.
Derselbe sollte bei jeder Lohnwerkstätte angebahnt werden als Repetition und Fortbil-
dung, jedoch täglich nur etwa 1-2 Stunden in Anspruch nehmen. Befindet sich am
Platze eine entsprechende Fortbildungsschule, so kann der Unterricht dort ibe-
nutzt werden.
4. Dem Inhaber der Lohnwerkstätte ist eine Entschädigung für verdorbene
Waare zu bewilligen; derselbe hat aber Webelehrern etc. den Zutritt zu gestatten und
den Betrieb der Werkstatt voll und regelmässig aufrecht zu erhalten.
5. Für grüssere Centren, wo das Bedürfniss nach geschulten Arbeitern und nach
Werkführern zugleich auftritt, wo der Fabrikantenstand einer fortgesetzten Ergänzung
und Nachbildung bedarf, ßmpßehlt es sich, Textilfachschulen zu begründen, welche
in erster Linie für die bestimmte Specialbranche ausbilden sollen und daneben dafür
sorgen, dass auch weitgehendere Kenntnisse der Textilindustrie erworben werden können.
6. Da solche Fachachulen einer Werkstatt resp. der Webstühle etc. nicht ent-
behren können, so empfiehlt es sich wohl, mit dieser Fachschule die Lehrwerkstättc
zu verbinden und neben Heranbildung von Lehrlingen die Ausbildung von Werk-
fuhrern, Vorarbeitern etc. zu erstreben, wobei der richtig geleitete Verkehr der beiden
Elemente von grossem Vortheil sein wird. '
7. ln den praktischen Uebungen der Schulen ist besonders darauf zu sehen, dass
jeder Schüler beständig ausreichend und möglichst selbständig beschlftigt ist
Es scheint, dass das englische System, zwei Schüler von verschiedenem Ausbildungsgradc
an einen Stuhl zu stellen, sehr zweckmässig ist. des persönlichen Austausches unter den-
selben wegen.
8. Die Hilfsmittel des fachlichen Unterrichtes sollen möglichst vollkommen Aeln.
Die grossen Tafeln der Engländer sind nachahmenswerth, ebenso die bildlichen Darstel-
lungen der Stuhltheile; die französischen Wandtafeln und Demonstrationsmodelle sind
zu empfehlen.
g. ln Districten, wo dieselbe Branche der 'l'extilindustrie stark und dicht vertreten
ist und mehrere Stkdte und Orte erfüllt, sollte man von Begründung mehrerer Fach-
schulen desselben Genres in benachbarten Orten absehen, sondern die betreffenden Orte
sollten zusammentreten und eine grössere Districts-Fachschule begründen. Dadurch wurde
die Last für die Commune geringer, die Ausrüstung der Anstalt-konnte viel reicher und
vollkommener sein, das Lehrpersonal zahlreicher und besser.
I0. Die höhere Textilausbildung ist Sache einer Textilschule (etwa im Sinne
der Mühlhausener oder Rouener) oder einer Abthe i I ung höherer polytechnischer Schulen
und muss sowohl Spinnerei, Weberei, Appretur, als auch Bleicherei, Färberei und Zeug-
druck umfassen.
n. Die Lehrwerkstatte hat ihr Augenmerk auf Erzielung manueller Fertigkeit
und Uebung und Umsicht im Handwerk zu richten; die Fachschule muss moglichste
Ausbildung des Faches in fabricatorischer Beziehung erreichen und dem Kunst-
gewerbe zustreben; die Textilhochschule hat die technische Vervollkommnung und Ent-
wicklung der Maschinen. Anlagen und Hilfsmittel der Textilindustrie im Auge zu behalten.
Diese Dehnition ergibt. dass das praktische Arbeiten für die Lehrwerkstätten
die Hauptsache ist (sowohl Vliebexi als auch Vorrichten etc.), für die Ausbildung von
Werkführern, Fabrikanten dagegen das Musterwesen und die dnrnach erfolgende Wahl
und Disposition des Materials, dessen Vorbereitung und Anordnung, die Wahl der Stühle _und
Vorrichtungen, die Ausrüstung der gefertigten Stotfe u. s. w. gleichberechtigt auftritt, - für
die hohere Textiltechnik aber zunächst weiter zurücktritt vor den theoretischen Studien.
Während dann für den höheren Unterricht die mathematischen und physikalischen Wissen-
schaften als Haupthilfsdisciplinen zu betrachten sind, stellen sich fur die mittlere Bildung
der Fachschule Musterzcichnen; decoratives Zeichnen, Waarenkunde und Technologie als
wichtigere Unterrichtsgegenstände heraus.
Vorlesungen In luuun.
Der heurige Cyclus von Vorträgen an den Donnerstag-Abenden wurde am I3. No-
vember durch Regierungsralh Bucher eröffnet. Derselbe sprach über nGottfried Sernper
und seine Beziehungen zum Kunstgewerben. Wir enthalten uns eines Referates über diesen
Vortrag, da wir denselben mit Beginn des neuen Jnhrganges vollinhaltlich zum Abdruck
zu bringen gedenken.
Am zweiren Vorrragsabende, am 20. November, sprach Custos Chmelarz über
Idie Renaissance in Frankreichu. Er skizzirle zuerst die politischen Beziehungen, welche
seit Ende des XIV. Jahrhunderts, besonders aber seit Karls Vlll. Zuge nach Neapel sich