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Volltext: Alte und Moderne Kunst II (1957 / Heft 4 und 5)

KOSTBARES 
GLAS 
AUS 
MURANO 
Von WILHELM MRAZEK 
Die Glasmacherkunst ist seit alter Zeit in Venedig beheimatet. 
Der Anfang und die Frühzeit liegen im Dunkel. Seit dem 13. 
Jahrhundert aber berichten die archivulischen Quellen von einer 
Konzentrierung der Glasmacher aul der Insel Murano. Hier, 
außerhalb des Bannkreises der Stadt, konnten die (Ilttsbliiscr 
ihrem feuergelährlichen Handwerk nachgehen, ohne die Stadt 
zu gefährden. Ist doch die Glasmacherkunst, wie Antonio Neri, 
ihr erster Monogrnph zu Anfang des 17. Jahrhunderts berichtet, 
eine Erfindung der Feuer- und Schmelzkunst. „Denn es (das Glas- 
material) zerschmelzet im Feuer und bleibe! in demselben be- 
ständig. ja, es wird, gleich dem Golde, als ein vollkommenes 
und leuchtendes Metall, im Feuer vollkommen, gereinigel und 
glänzend." 
Wer von Venezianer Gläsern spricht, denkt zunächst an jene 
köstlichen Wunderwerke unbekannter Gltishläser, die während 
der Renaissaneezeit erzeugt wurden. Diese Produkte der Muraner 
Glashütten aus einem leichten und dünnen Natronglns, meist 
 
Abb. 3. Vase und Schale mit ge- 
schnittener Oberfläche und in zart! 
getönte!" Farbigkeit. Im Verein mit 
der einfachsten Furmgebung unt- 
sprechcn diese Erzeugnisse am be- 
sten dem modernen Formemp- 
finden. 
Abh. 1. Vasen aus sogenanntem 
Mosaikglas. Buntfarbige Glasflüsse 
wurden auf die Gefäßwand aufge- 
schmolzen. 
Abb. 2. 
Vasen aus lcichtgelönlem und 
zartwandigem Glas. Von 
links nach rechts: topasfar- 
bene Holbeinvase, amethyst- 
iarbene Baluslervase, topas- 
farbcne Rubensvnse. Die For- 
men sind im Anschluß an die 
Tradition, an die Erzeugnisse 
der Renaissancezeit, gestaltet. 
 
 
farbloses „Christallin"-Glas, oder weißes, seltener auch farbiges 
Glas, sind ganz und gar vom Material her gebildet. In ihren 
einfachen und zweckmäßigen Gestaltungen ist die Form nahezu 
allein vom Herstellungsprozel! mit Hilfe der Glasmaeherpfeife 
bedingt. Durch die virtuose Beherrschung dieses einfachen Werk- 
zcuges, die innige Vertrautheit mit der Qualität des Materials 
und durch die Freude an dem belebenden Spiel mit den Formen 
sind jene köstlichen Wunderwerkc ungenannter Kunsthand- 
werker entstanden. . - 
Diesen einmaligen Erzeugnissen setzte der im 17. Jahrhundert 
aufkommende und im 18. Jahrhundert so beliebte Glasschnitt 
- er stammt von der Kristallbearbeitung her - ein Ende. Da- 
mit verlagert sich auch das Schwergewicht der Glasproduktion 
nach dem Norden, in die Länder jenseits der Alpen. Venedig, 
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