KOSTBARES
GLAS
AUS
MURANO
Von WILHELM MRAZEK
Die Glasmacherkunst ist seit alter Zeit in Venedig beheimatet.
Der Anfang und die Frühzeit liegen im Dunkel. Seit dem 13.
Jahrhundert aber berichten die archivulischen Quellen von einer
Konzentrierung der Glasmacher aul der Insel Murano. Hier,
außerhalb des Bannkreises der Stadt, konnten die (Ilttsbliiscr
ihrem feuergelährlichen Handwerk nachgehen, ohne die Stadt
zu gefährden. Ist doch die Glasmacherkunst, wie Antonio Neri,
ihr erster Monogrnph zu Anfang des 17. Jahrhunderts berichtet,
eine Erfindung der Feuer- und Schmelzkunst. „Denn es (das Glas-
material) zerschmelzet im Feuer und bleibe! in demselben be-
ständig. ja, es wird, gleich dem Golde, als ein vollkommenes
und leuchtendes Metall, im Feuer vollkommen, gereinigel und
glänzend."
Wer von Venezianer Gläsern spricht, denkt zunächst an jene
köstlichen Wunderwerke unbekannter Gltishläser, die während
der Renaissaneezeit erzeugt wurden. Diese Produkte der Muraner
Glashütten aus einem leichten und dünnen Natronglns, meist
Abb. 3. Vase und Schale mit ge-
schnittener Oberfläche und in zart!
getönte!" Farbigkeit. Im Verein mit
der einfachsten Furmgebung unt-
sprechcn diese Erzeugnisse am be-
sten dem modernen Formemp-
finden.
Abh. 1. Vasen aus sogenanntem
Mosaikglas. Buntfarbige Glasflüsse
wurden auf die Gefäßwand aufge-
schmolzen.
Abb. 2.
Vasen aus lcichtgelönlem und
zartwandigem Glas. Von
links nach rechts: topasfar-
bene Holbeinvase, amethyst-
iarbene Baluslervase, topas-
farbcne Rubensvnse. Die For-
men sind im Anschluß an die
Tradition, an die Erzeugnisse
der Renaissancezeit, gestaltet.
farbloses „Christallin"-Glas, oder weißes, seltener auch farbiges
Glas, sind ganz und gar vom Material her gebildet. In ihren
einfachen und zweckmäßigen Gestaltungen ist die Form nahezu
allein vom Herstellungsprozel! mit Hilfe der Glasmaeherpfeife
bedingt. Durch die virtuose Beherrschung dieses einfachen Werk-
zcuges, die innige Vertrautheit mit der Qualität des Materials
und durch die Freude an dem belebenden Spiel mit den Formen
sind jene köstlichen Wunderwerkc ungenannter Kunsthand-
werker entstanden. . -
Diesen einmaligen Erzeugnissen setzte der im 17. Jahrhundert
aufkommende und im 18. Jahrhundert so beliebte Glasschnitt
- er stammt von der Kristallbearbeitung her - ein Ende. Da-
mit verlagert sich auch das Schwergewicht der Glasproduktion
nach dem Norden, in die Länder jenseits der Alpen. Venedig,
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