Jahre vor der des schönen Wiener Porträts. Das ist je-
doch im höchsten Maße unglaubwürdig, da Holbein nie
von ihm bereits verwendete Einzelmotive in späteren
Werken wieder aufgegriffen hat. Andererseits kann man
aber auch unmöglich annehmen, das 1530 datierte Bild
sei, später fälschlich signiert, von einem unbekannten
Vorgänger ausgeführt und habe Meister Holhein zu
jener schönen Gestaltung der Hände in dem Wiener
Porträt angeregt. S0 ist mit Sicherheit zu sagen, daß
die Datierung auf dem Gemälde aus der Sammlung
Hirsch unzutreffend ist und hier eine Motiv-Entlehnung
vorliegt, die sich an Holheins Wiener Bildnis anschließt,
wobei lebhafte Zweifel auftauchen, ob es sich überhaupt
um ein altes Gemälde handelt. Die unechte Signatur
legt jedenfalls den Verdacht sehr nahe, daß man es
hier mit einer böswilligen Fälschung aus jüngerer Zeit
zu tun hat.
Mehr Vertrauen können wir wohl dem Bildnis eines
bärtigen Mannes in Krakau entgegenbringen, das sich
gleichfalls in der Darstellung der Hände an Holbeins
Wiener Herren-Porträt anschließt. Wiederum fehlen
auf dem Tisch Schreibzeug und Tintenfaß, und die
Ringe sind um einen, und zwar am Mittelfinger der
rechten Hand, vermehrt. Die Behandlung des Gewandes
und ein schmaler Pelzkragen entsprechen hier noch
stärker als in dem eben erwähnten Gemälde dem Vor-
bild. Darüber steht der Kopf eines älteren Mannes mit
einer flachen Kappe, grauem Haupthaar und einem
zweigeteilten eisgraucn Vollbart. Der Dargestellte sitzt
in der Ecke eines zur Hälfte getäfeltcn Zimmers, dessen
Ausstattung ebenfalls von ferne an Holbein gemahnt,
allerdings im Gegensatz zu seinen lebensvollen Raum-
gestaltungen seltsam karg und in der Anordnung der
Gegenstände auch ein wenig zufällig wirkt. Man könnte
vielleicht bei der Leiste mit den dahinter steckenden
Briefen, dem Bord mit Kerze, Dose, Siegelband und
dem Wandbrett rechts mit Büchlein und Schachtel an
das Bildnis des Kaufmanns Gisze denken, bei dem In-
terieur und Ambiente jedoch fraglos reicher und
auch kunstvollcr durchgeführt erscheinen. Bekannt-
lich sind derartige Raumausschnitte bei Holbcin selten
und eigentlich nur zwischen 1528 (Astronom Kratzer)
und 1533 (Gesandten-Bild) einige Male zu finden. Die
Anordnung des Beiwerks und seine etwas trockene Dürf-
tigkeit scheinen bei dem Porträt des bärtigen Alten eher
auf eine niederländische Schulung des Malers, etwa im
Kreise der van Cleve, zu verweisen." Das Gemälde, einst
in der Sammlung Pininski, Lemberg, befindet sich heute
im Wawel zu Krakau" und wurde von Swierzm dem
Christoph Ambcrger zugeschrieben. Diese Meinung, der
sich auch Bialostoeki und Walieki neuerdings ange-
schlossen haben," können wir nicht teilen. Sollte es
sich, wie wir gerne einräumen wollen, um ein altes Bild
handeln, so stammt es, wie gesagt, vermutlich aus dem
niederländischen Kunstkreis, aber keineswegs von einem
so gewandten und eigenschöpferischen Porträtisten wie
dem Augsburger Maler, der, was auch E. Haasler aus-
drücklich betont hat, niemals llolbeins Werke ko-
pierte."
Für die dritte Form nachschaffender Tätigkeit, den
Pasticcio, möchten wir ein mit dem Wiener Männer-
bildnis in Zusammenhang stehendes Porträt heran-
ziehen, das bereits mehrfach publiziert worden ist."
Wiederum wurde die untere Bildhälfte, Handhaltung,
Ärmel, Mantel und Pelzkragen, dem Wiener Gemälde
nachgestaltet, es fehlen allerdings die Tischkante und
das Schreibgerät. Der Ausschnitt ist nämlich bei diesem
Bilde unten um einige Zentimeter verkürzt, und die
rechte lland des Dargestellten ruht so auf dem Rande
des Gemäldes. Übrigens sind die beiden Ringe an der
Rechten in der Neufassung vom kleinen auf den Ring-
finger gewandert. Der Kopf hingegen ist einem anderen
Bildnis Holbeins entlehnt, dem großartigen Porträt von
Anton dem Guten, Herzog von Lothringen, im Berliner
Museum. Dieses Werk, eine der eindruckvollsten
Schöpfungen der Spätzeit, entstand wohl erst 1543, im
Todesjahr des Malers, denn die Altersangabe im Hin-
tergrund lautet „Aetatis suae 54", und der Herzog war
1490 geboren." Die Vorstudien zu diesem Porträt rei-
chen möglicherweise bis in den Ausgang der dreißiger
Jahre zurück, da von einem Zusammentreffen des
Künstlers mit Anton dem Guten nach 1538 nichts be-
kannt ist; zu dieser Zeit jedoch hat Holbein des ller-
zogs Tochter Anna in Naney konterfeit. Der Maler des
heute verschollenen Bildes hat nun aus dem Berliner
Gemälde den Kopf kopiert, um ihn dann mit Gewand
und Händen des Wiener Herrenporträits zu kombinieren.
Dabei haben die Gesichtszüge allerdings an Ausdrucks-
kraft erheblich verloren. Im übrigen paßt auch zu jenem
Zug sinnender Versunkenheit, der sich in dem ernsten
Antlitz, vor allem in den ziellos blickenden Augen des
Lothringers ausprägt, keinesfalls die bewegliche Aktivi-
tät der Hände des jungen Mannes, die nicht von unge-
fähr einem Menschen zugehören, der durch den fest
auf sein Gegenüber gerichteten Blick in lebendigen Kon-
takt mit der Umwelt tritt.
Was Alter und Güte des Bildes betrifft, so sind die
Meinungen geteilt. Auch wir möchten die „Echtheit" des
Gemäldes bezweifeln. Es war offenbar am Anfang un-
11