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Volltext: Alte und Moderne Kunst VII (1962 / Heft 64 und 65)

Notizen aus dem Kunstleben und Kunsthandel 
HRE ÖSTERREICHISCHER 
ESVERLAG 
 
Der Werdegang des Verlages hängt 
eng mit der Einführung der allge- 
meinen Volksschule in Österreich im 
letzten Jahrzehnt der Regierung Maria 
Theresias zusammen. Die Kaiserin 
setzte mit l-lcfdekret vom 26. Mai 1770 
eine Schulkommission (für Nieder- 
österreich) ein. die die Aufgabe hatte. 
eine für alle Erblande durchführbare 
Schulordnung auszuarbeiten. Als Mo- 
dell- oder Musterschule im Sinne der 
Reformen wurde die in Wien im Chur- 
hause zu St. Stephan bereits bestehende 
Bürgerschule eingerichtet. Am 13. Juni 
1772 erteilte die Kaiserin der Schul- 
kommission ein Privileg zur Herausgabe 
und zum Vertrieb von Schulbüchern. 
Damit war die ldee zur Gründung 
eines Schulbücherverlages gegeben. der 
auch damals der Schule zu St.Stephan 
angeschlossen wurde. Der Leiter dieser 
Schule. Joseph Meßmer. wurde der 
erste Verlagsdirektor. Damit begann 
der erste Aufbau des Verlages. Die 
Firma hieß: ..Verlag der deutschen 
Schulanstall." Als erstes Werk erschien 
der sogenannte Saganische Katechis- 
mus; ihm folgte eine stets wachsende 
Anzahl von ABO. Rechen-. Pädagogik- 
und Methadikbüchern. von denen 
manche auch heute noch Fundgruben 
pädagogischer Klugheit sind. 
Bald wurden die ursprünglichen Räum- 
lichkeiten zu eng. und 1775 über- 
siedelten Schule und Verlag in das 
SL-Anno-Gebäude in der Johannesgasse. 
Seit 1807 hieß der Verlag ..k. k. Schul- 
bücherverschleißadministration". seit 
1855 ..k.k. Schulbücherverlag". Aus 
Gründen einer notwendigen Dezen- 
tralisierung wurden in den Jahren nach 
1775 gesonderte Schulbuchverlage in 
Laibach. Prag. Brünn. Innsbruck. Frei- 
burg i. Breisgau eingerichtet, später 
auch in Lemberg, Ofen. Triest. Mailand. 
ln allen Sprachen der Monarchie 
wurden Schulbücher gedruckt; auch 
die für den Schulbetrieb benötigten 
Drucksorten sowie Lehrmittel wurden 
hergestellt. 1885 übersiedelte der Verlag 
in das Gebäude Schwarzenbergstraße 5. 
1887 wurde eine Zentraldirektion der 
Schulbücherverlage errichtet. die bis 
zum Zusammenbruch der Monarchie 
bestand. Wer vermag die Wirkung 
abzuschätzen. die von rund hundert 
Millionen von Schulbüchern ausging. 
die im Laufe der Jahre selbst die 
kleinste Dorfschule der großen Mon- 
archie erreichten? Generationen von 
Schülern verdanken ihr wissensmäßiges 
Rüstzeug den Schulbüchern des Oster- 
reichischen Bundesverlages. Genera- 
tionen von Lehrern haben daraus ihr 
Lehrgut und ihre Geisteshaltung ge- 
schöpft und sie weitergegeben an neue 
Generationen von Schülern. 
Das Jahr 1918 setzte hier zunächst 
eine Zäsur. Aber bald nach dem Ende 
des ersten Weltkrieges und im Zu- 
sammenhang mit der Neuregelung der 
staatlichen Verhältnisse Osterreichs kam 
es nach 1918 zum zweiten Aufbau des 
Verlages. Er führte damals die Be- 
zeichnung ..Österreichischer Schul- 
bücherverlag". Im Zuge der Schul- 
reform mußten neue Schulbücher ge- 
schaffen werden, es wurden aber auch 
Jugendschriften. Lesestoffe für die 
breiten Massen. heimatkundliche Werke 
u. a. verlegt. Von 1925 an hieß der 
Verlag "Österreichischer Bundesverlag 
für Unterricht. Wissenschaft und Kunst". 
In diesem Firmentitel kommt die Weite 
des Verlagsprogrammes zum Ausdruck. 
die auch heute wieder dem Verlag 
Programm und Gesicht gibt. Nomen 
est omen in den Namen. die der 
Verlag in darauffolgenden Jahrzehnten 
zu tragen hatte. spiegelt sich ein Stück 
Zeitgeschichte: Von 1941 bis 1942 hieß 
der Verlag ..Ostmärkischer Landes- 
Verlag". mit 12. Juni 1942 wurde dieser 
in den ..Deutschen Schulverlag. Ber- 
lin". übergeführt und hieß nunmehr bis 
Kriegsende ..Deutscher Schulverlag 
Wien".1945 kam es zum dritten Aufbau 
des Verlages (lt. Dekret vom 7. Mai 1945 
des Staatsamtes für Volksaufklärung. 
für Unterricht. Erziehung und_ für 
Kultusangelegenheiten). Nach Uber- 
windung der teilweise recht schwierigen 
Vorarbeiten nahm der Verlag mit Ende 
1945 seine Tätigkeit unter dem alten 
Namen auf. Es wurden Schulbücher. 
Klassenlesestoffe. Schülerzeitschriften 
geschaffen. die Produktion zahlreicher 
weiterer Lehrbücher in Arbeitsgemein- 
schaft mit anderen bewährten äster- 
reichischen Schulbuchverlagen aufge- 
nommen. die Zeitschrift ..Erziehung und 
Unterricht" gemeinsam mit dem ,.Ver- 
lag für Jugend und Volk" heraus- 
gegeben. pädagogische Fachbücher vor- 
bereitet. die Erzeugung von Lehr- 
mitteln durch die ..Österreichische 
Lehrmittelunstolt" in Gang gesetzt. 
neue Zeitschriften auf dem Gebiete 
der Musik geschaffen. Musikalien zur 
Pflege der Hausmusik veröffentlicht und 
zur Rationalisierung der Buchproduk- 
tion die Buchbinderei Wernerangekauft, 
Zwar werden heute nicht mehr Bücher 
in fünfzehn Sprachen verlegt. dafür 
aber wurde die Produktion. ent- 
sprechend dem neuen Namen ..Öster- 
reichischer Bundesverlag für Unter- 
richt.Wissenschaft und Kunst". in einem 
ganzheitlichen Sinn rund um die 
Schule gruppiert: Eine Lehrmittel- 
anstalt sorgt heute für moderne Unter- 
richtsmittel. eine Bücherstube mit einem 
Spezialsortiment pädagogischer Litera- 
tur ist um die ständige Vermittlung der 
neuesten Erkenntnisse bemüht. die 
Jugendbuchproduktion des Verlages 
bringt wertvollen und modernen Lese- 
stoff. und die Herausgeber von wissen- 
schaftlichen Werken. von Musikwerken. 
Bildbänden und Kunstbüchern haben 
sich die Pflege österreichischer Kultur 
und österreichischer Wissenschaft zum 
Ziel gesetzt. Zwölf Zeitschriften 7 dar- 
unter seit 1962 auch die ..Alte und 
moderne Kunst" -- aus den Haupt- 
sparten des Verlages sorgen für leben- 
digen Kontakt mit dem kulturellen 
Geschehen. Heute beschäftigt der 
Österreichische Bundesverlag mehr als 
hundert Angestellte und Arbeiter. Er 
ist was oft übersehen wird 7 
kein staatlicher Betrieb. sondern wird 
nach privatwirtschaftlichen Grund- 
sätzen geführt. das heißt. er zehrt nicht 
von staatlichen Geldern. sondern zahlt 
wie iede Privatfirma seine Steuern und 
erhält sich selbst. 
Für Freunde symbolischer Bezüge sei 
noch erwähnt. daß die Lage des Verlags- 
hauses in der Schwarzenbergstraße in 
Wien durch eine Visierlinie bestimmt 
wird. die von der Stephanskirche über 
das Schwarzenbergdenkmal. das Denk- 
mal der Sowietunion. den Sommersitz 
des Prinzen Eugen. das Museum für 
moderne Kunst bis zum Süd- und 
Ostbahnhof reicht. ln diesem Zusammen- 
hangmuß nochfestgehaltenwerdemdoß 
eine wesentliche Neuerscheinung des 
Bundesverlages im Jubiläumsiahr 1962 
den Titel trägt: "Österreich - ein 
Leben lang." 
KOKOSCHKA 
IN ENGLISCHER SICHT 
Anfang September wurde in der Tate 
Gallery. London. eine seit Jahren vor- 
bereitete Kokoschka-Aussteliung er- 
öffnet. die nicht weniger als 300 Katalog- 
nummern (Gemülde. Aquarelle. Hand- 
zeichnungen. Druckgraphik) umfaßt. 
Sie ist, übereinstimmenden Berichten 
der Londoner Presse zufolge, ein 
rauschender Erfolg für Kokoschka 
geworden, die Dämme einer jahr- 
zehntelangen Zurückhaltung dem Wie- 
ner Meister gegenüber erscheinen nun- 
mehr als endgültig weggerissen von 
Wogen ehrlicher Begeisterung, 
Was ist es nun. daß England an 
Kokoschka erspürt und schützt? Der 
Kunstkritiker des "Observer". eines 
der zwei hochwertigen Londoner Sonn- 
tagshlötter. Nigel Gosling. nahm zu 
Kokoschko ausführlich Stellung. und 
wir geben seine Meinung auszugsweise 
wieder: 
.,Der Name Kokoschka tönt seit dem 
Krieg lauter und lauter in unseren 
Ohren. er schwoll von einem fernen 
Echo zu beinahe bedrohlicher Heftigkeit 
an. Nun wurde endlich aus einem 
Gerücht eine Tatsache. .  
.,Wir sind heutzutage gewöhnt. einen 
Hieb auf unsere geistige Nase zu be- 
kommen, wenn wir eine Galerie be- 
treten . . . doch Kakoschka ist 76 Jahre 
und ein geschworener Feind moder- 
nistischen Experimentierens. Thomas 
Mann nannte seine Gemälde eine 
.Augenweide' 7 sind seine Bilder nun 
ein Labsal oder nicht? 
im Gegenteil. sie sind ein Schock. aber 
einer aus einer neuen Richtung... 
Kokoschka mag aus dem Baum der 
Tradition sprießen. aber er entspringt 
einem unverlrauten Zweig... Der 
eigene Vater mit einer falschen Nase 
wirkt tausendmal alarmierender als 
ein Fremder in voller Entsetzens-Wichs. 
Das ist das Geheimnis der Macht 
Kakoschkas und sein Vorteil über alle 
Maler. die in neues Land vor- 
dringen ... seine Gemälde sind Träger 
der erschreckenden Sensation. die durch 
Normalität ausgelöst wird. wenn sie 
um ein Geringes vom Kurs kommt... 
in seinen unmittelbarsten Werken ist 
die Wirkung die einer beinahe über-. 
menschlichen Einsicht in die Persön- 
lichkeit des Dargestellten . . . angesichts 
seinerspüten Werke hat man das Gefühl 
einer Vision. bei der die Dinge zwar so 
gesehen werden, wie wir alle das tun. 
doch durch eine Lupe. die schärft oder 
verzerrt - in einer Art. die an die 
Erfahrungen von Meskalin-Einnenmern 
erinnert." 
Gosling unterteilt Kokoschkas Werk in 
vier Kategorien: "Zeichnungen (mei- 
sterhaft), Porträts (keine Vergleichs- 
möglichkeit unter Lebenden). Land- 
schaften und Stadtansichten (ungleich 
in der Qualität, aber stets geeignet. 
mit "großen" Ansichten verglichen zu 
werden) und symbolische Komposi- 
tionen. die in zwei gewaltigen. unlängst 
entstandenen Dekorationen gipfeln". 
Zur Entwicklung Kokoschkas bemerkt 
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