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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 115)

aditet der zimlich reichen Grubien (Gruppen), 
in Jidem Blat den anstendigen Blatz (Platz) bei 
zu behalten, um alle unordnung zu vermeiden 
und dem auge eine geneme Ruehe zu ver- 
sd1affen..."'7. Infolgedessen genießen über- 
schaubare, exakte, geschlossene Formen den 
Vorrang vor ausgreifenden, raumverspannen- 
den und bewegten. Die farbengesättigte Atmo- 
sphäre weicht gleichmäßiger Helligkeit. Die 
Akzente verteilen sich über die ganze Bild- 
fläche. Es genügt der Vergleich der Kentauren- 
oder Diogenesgruppen, um den Prozeß der 
Klärung, Beruhigung und Isolierung zu er- 
messen. 
Alle diese Symptome weisen das Augsburger 
Bild an den Beginn der mit Klosterbruck und 
Strahov in Verbindung zu bringenden Arbei- 
ten. Damit ist zwar ein „terminus ante quem" 
gewonnen, wieviele Jahre vor 1778 das Bild 
anzusetzen ist, wissen wir aber nicht. „An den 
Möbeln der Bibliothekseinridrtung (von Klo- 
sterbruck) hatte der Teschwitzer Kunsttisdiler 
Lahofer beinahe zehn Jahre lang gearbeitet und 
erst danadi vermodite Maulbertsch die Aus- 
malung des Raumes im Jahre 1778 in Angriff 
zu nehmenms. Der Beginn der Verhandlungen 
zwisdmen dem Auftraggeber, Abt Gregor Lam- 
bed-t, und Maulbertsch ist unbekannt. Wir 
müssen mit der Möglidüteit rechnen, daß der 
Auftrag in einem frühen Stadium der Planung 
erteilt wurde, da Maulbertsch mit Klosterbrudt 
seit langem in enger Verbindung stand. 1765 
hatte er das Refektorium des Stifts, 1776177 im 
Auftrag des Abtes die Pfarrkirche zu Mühl- 
fraun ausgemalt. Es ist nicht einmal auszu- 
schließen, daß der Augsburger Entwurf für ein 
anderes, nidit mehr bekanntes Unternehmen 
vorgesehen war, wenngleich die ziemlich er- 
schöpfenden Quellen keinen Anhalt dafür er- 
geben und die Übereinstimmung der Proportio- 
nen mit dem Fresko in Klosterbruck stark ins 
Gewicht fällt. 
Der Typus der gemalten Eckkonsolen, eine vor- 
kragende Volute mit Zopfgirlande, kann erst 
1791 bei den Fresken im bischöflichen Palast 
zu Steinamanger" nachgewiesen werden. Vor- 
formen finden sich 1772173 in der Architektur- 
malerei der Kathedrale zu Raab und 1776177 
in Miihlfraun. In den Pendentivmalereien der 
Propsteikirche Pöltenberg von 1766" erschei- 
nen anstelle der strengen Zopfgirlanden noch 
leichte Blumengirlanden. Auch die Voluten 
wirken freier, als quellende, plastische Gebilde 
von schwer benennbarer Form. Für die Datie- 
rung des Augsburger Bildes ist damit wenig 
gewonnen, da das Ornament hier auf eine 
spätere, wenngleich von Maulbertsch selbst 
stammende Korrektur zurückgehen dürfte. 
Ebensowenig präzise Ergebnisse erbringt der 
Motivvergleidi. Maulbertsch hat, ähnlich Gran 
oder Troger, mandie Figuren und Gruppen 
jahrzehntelang fast stereotyp wiederholt, oft 
nur die Attribute ausgewechselt. Den Augs- 
burger Engel des Alten Bundes finden wir mit 
leichten Variationen schon 1757158 in Heiligen- 
kreuz-Guttenbrunn, um 1768 auf einer Zeich- 
nung der Wiener Albertina mit dem hl. Stephan 
und Maria, 1775 als blumenstreuenden Engel 
oberhalb des Allianzwappens auf dem Haupt- 
fresko im Riesensaal der Innsbrucker Hofburg 
oder noch 1795 auf der Ölskizze für das nach 
Maulbertschs Tod von Winterhalter ausgeführte 
28 
Kuppelfrcsko der Kathedrale zu Steinam- 
anger". Die Ablösung des zierlichen, ovalen 
Gesichtstypus mit kleinem Kopf und punkt- 
artigen, lebhaften Augen durch den kantigen, 
meist dreieckigen und scharfgeschnittenen Ty- 
pus mit gerader Stirn und Nase erfolgt vor 
1770. In den zerstörten Fresken der Dresdener 
Hofkirche war er bereits vollzogen, ohne daß 
der ältere Typus sofort aufgegeben worden 
wäre. Für die Runzelung der Farboberfläche 
lassen sich Beispiele vor allem im Spätwerk 
feststellen 2'. Die splitterartig aufgesetzten Lich- 
ter des Inkarnats, etwa beim Augsburger Dio- 
genes, kennen wir seit den frühen siebziger 
Jahren. 
Besonders erschwerend wirkt sich der Mangel an 
gesicherten Gesamtskizzen dieser Zeit aus. Meist 
handelt es sich um bozzettohaft flüchtige Ar- 
beitsstudien, wie die Berliner Detailskizze mit 
den ungarischen Heiligen für das Fresko der 
Kathedrale zu Raab von 1773 oder die Stutt- 
garter Skizze der Glorifikation Josephs II. 
von 1777 h. Schade, daß für das zerstörte 
Fresko der Dresdener I-lofkitche von 1770 
keine Ulskizze erhalten blieb. Den Fotografien 
zufolge kam dieses Werk dem Stil der Augs- 
burger Skizze besonders nahe, während das 
Fresko in der Innsbrudter Hofburg von 
1775176 in der Verhärtung der Konturen, den 
scharfen Farben und der gleid-imäßigen Hellig- 
keit des Hintergrundes über Augsburg eher 
hinauszuführen scheint. Ein schlüssiges Urteil 
ist jedoch in Anbetracht der Unterschiede zwi- 
schen Freskostil und der Malweise bildmäßiger 
Ölskizzen nicht zu fällen. Solange kein neues, 
geeignetes Vergleichsmaterial auftaucht, wird 
man sid1 mit der durch die Ausführung nahe- 
gelegten Datierung „gegen 1778" abfinden müs- 
Sen. 
Um das Augsburger Bild einzuordnen, bedarf es 
auch des Vergleichs mit den vorangehenden Ar- 
beiten. Die thematischen und motivischen Wur- 
zeln des Bildes reichen weit zurück. So taucht 
der Gedanke der Gegenüberstellung des Alten 
und Neuen Bundes sdion 1752 im ersten 
Großauftrag des jungen Malers, dem Fresko 
der Hauptkuppel in der Wiener Piaristenkirche, 
auf". Wie in Augsburg werden die beiden 
beherrschenden Gruppen von prunkvollen Ar- 
chitekturen hinterfangen und ausgezeichnet. Der 
Typus dieser Phantasiebauten stimmt in beiden 
Werken weitgehend überein. In Wien ist je- 
doch die Konchenardiitektur mit den Säulen 
dem Alten Bund, die in Augsburg nachträglich 
zur zweiten Konche umgewandelte Bogenardii- 
tektur mit Pilastern hingegen dem Neuen Bund 
zugeteilt. Aus der Gruppe der Kirchenväter 
gibt sich der sitzende, in Meditation versunkene 
Hieronymus als Vorbild für Augsburg zu er- 
kennen. Auch das Motiv des über die Stufen 
gebreiteten Orientteppid1s oder der in den 
Raum hinausragenden Beine ist in der Piaristen- 
kirche schon da. Die Gruppe des Alten Bundes 
besteht aus denselben Personen wie in Augs- 
burg, dod1 fehlt Noah, während die in Augs- 
burg durch Deukaleon und Pyrrha ersetzten 
Stammeseltern Adam und Eva den Auftakt 
bilden und die Königin von Saba Salomo zu- 
gesellt ist. Josua stürmt zu Pferd einher, wie 
denn die ganze Gruppe von gewaltiger Erre- 
gung ergriffen ist. Der hünenhafte Alte, der den 
Opferstier tötet und als Elias bezeichnet wird, 
kehrt im Augsburger Bild wieder, im PI 
von 1778 wird er als „Levitendieri 
zeichnet. 
An dieser Figur wird erneut deutlich, 1 
Maulbertsdis eigener Anteil an der K0 
des Augsburger Bildes gewesen sein m 
Kommentator des Programms für Klos 
konnte die Gestalt entweder nicht 
oder wollte sie nicht als Propheten Eli 
nehmen. Jedenfalls taufte er sie um, 
aus der Welt schaffen oder ihre Notwe 
an dieser Stelle begründen zu können 
und blieb ein aus Maulbertschs eigener S1 
phantasie zu erklärendes Relikt, das er: 
späten Fassung von Strahov entfiel. Da: 
Altes und Neues Testament wurde 176 
Hauptkuppel der Pfarrkirche zu SCIIWI 
jedenfalls der Interpretation ihrer 1786 
nenen „Historischen Besdireibung" zu1 
bei unterschiedlicher Darstellung im Si 
Augsburger Programms weitergeführt 
Beschreibung trennt zwischen dem „nat 
Gesetz" mit Adam und Eva, Abrah 
Isaak, Melchisedech und zwei nicht ider 
baren Patriarchen. dem „gesdiriebenen 
mit Moses und dem „neuen Gesetz" 
Dreifaltigkeit und den göttlichen T 
Glaube, Hoffnung und Liebe. Das ( 
kind schwebt in einer Lichtkugel, 
ganze Bild beleuchtet. Winterhalter, 
Schwecliat bereits als Mitarbeiter beze 
übernahm dieses Motiv und das auf dei 
ruhende Lamm Gottes ein halbes Jahr 
später in Geras. 
Der zweite Motivkreis, die Einbeziehi 
antiken Gelehrsamkeit in die christlidu 
geschichte, ist vor Klosterbruck bzv 
Augsburger Bild im Werke Maulbertsc 
nachweisbar. Zwar pflegte auch Mau 
von Anfang an die barocke Allegori 
Berufung auf die antiken Götterpersi 
tionen. In seiner Kölner „Allegorie des 
und der Wahrheit", einer frühen Ölski 
ein unbekanntes Fresko, verkörpert API 
Licht, Hermes überbringt den göttliche 
trag an die Wahrheit, die Dämonen c 
wissenheit stürzen in die Nacht und 1 
Wahrheit sucht sich durch eine Larve Zl 
zen 25. Kaum zehn Jahre danach im Bibl 
fresko des Barnabitenklosters Mistelba 
11 i. WIIHCXIIIIICX rirrii Mriiilbrrrsai, Die omrib. 
göttlichen Weisheit. iariiiiri, Mährisdie Galerie 
11 r. A. Miulbtrlidl, Die garrliiiir Weisheit. Prag. 
galerie 
14 J. Winterbalter, Die orrrribririirig der garrliriirii 
sriir Geras (Niederösterreidi), Bibliothek 
ANMERKUNGEN 17-30 (Anm. 31, 32 s. S. 30) 
" K. Garas, a. a. 0., S. 271, Dokument CXXVIII. 
"K. Garas. z. z. 0., s. 116. 
ß K. Garas, i. a. 0.. Abb. 262, 229, 238, 1211-114. 
"K. Garas, a. a. 0., Abb. 17, 1x0, 213, 113. 
1' So die von K. Garas für Klosterbruck beansprudn 
xlullc 1h der Pra r-r Nationalgalerie (Garas, a. i. 
246) oder das mo ello eines Nikolausalrarblarrs in c 
lriiiir Dr. kiirr Rosszdier, Salzburg (Garas, a. a. 0.. 
u K. Garas. a. a. 0., Nr. 268. Abb. 228 und Nr. 291 
" K. Garas. a. a. 0., Nr. 18, Abb. 34. 
" K. Garax, a. a. O., Nr. 170, Dokument XXXII 
Abb. 141. 
ß K. Garas, i. a. 0., Nr. 2:, Abb. 17. 
1' k. Garls, a. a. 0.. Nr. 125, Abb. 1211-130. 
"Hmisrrlnbr. Die barudtc Fresltornalerei in DEIN 
Miiiidirii 1951, s. 2371i. 
s" k. Gzras, a. 1. 0., s. a4. A k. Garas, Gregorio t 
Arrii HISXOHIE Arririri-i, 1x, ßiisiapssr 1963. s. 1 
w. Mrarek, KHIISI IllS Üsterreida, Barocke Dedn 
Bad VÖSlIII 1961. Abb. 34-37. 
1' k. Garas, a. a. 0., Nr. 111, 216, Abb. 1x7. 
-" K. Gans. a. a. 0.. Nr. 176, Abb. 150. Vgl. beso 
Gestalt du ..Vollkomri-ieriheir'.
	        
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