. Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Die Welt der Wikinger
Neues Haus, Ausstellungshalle,
Wien 1, Weiskirchner Straße 3
7. Februar bis 23. April 1973
Nach eher ruhigen Tagen zu Jahresbeginn Vor-
bereitungsaktivitäten und feierlicher Auftakt zur
Ausstellungssaison mit der „Welt der Wikinger".
Erstaunlich viel Presse bei der Vorkanferenz,
zahlreiche Prominenz bei der Eröffnung, angeführt
von Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky, Bundes-
minister Dr. Hertha Firnberg und zahlreichen
Persönlichkeiten des öffentlichen und kulturellen
Lebens, voran der schwedische
Botschafter in Österreich, S. E. Lennart Petry. Man
wähnte sich in iene Zeiten versetzt, da die großen
Ausstellungen des Kulturamtes der Stadt Wien -
Van Gogh, Cezanne in der Österreichischen Galerie
oder Picasso hier im Haus mit über 100.000
Besuchern - Höhepunkte im Wiener Kunstleben
setzten. Die ehemaligeOlympia-Ausstellung, von Kiel
über Berlin nach Wien gekommen, wurde als Gegen-
ausstellung zu der von der Prähistorischen Abteilung
des Naturhistorischen Museums im Jahre 1971 in
Stockholm und Göteborg gezeigten „Hallstatt-
Ausstellung" geplant und veranstaltet. Als „Raum
im Raum" in der Ausstellungshalle des Neuen
Hauses aufgebaut, vom schwedischen Architekt-
kontor A. Clason ä Störling, Stockholm, konzipiert,
erstand eine Art dunkler mystifizierter Kult-
raum, modern aspektiert, der etwas vom Fluidum
der so geheimnisvollen Welt der Wikinger an sich
hatte. Man bückte und duckte sich unwillkürlich
unter gekreuzten Holzverstrebungen ebenso wie
man auf den knarrenden Planken eines nachge-
bauten Wikingerschiffes stehen konnte. Einwänden
des gelernten Kunsthistorikers, daß die Schau
zuwenig „Echtes" an Obiekten aufweise, müßte
man entgegenhalten, daß hier zwangsläufig eher
die historische als die kunsthistorische Komponente
die Basis bilden mußte. Einleitend die Erklärung:
Wiking heißt „ein Leben in Waffen". Die Zeit der
Wikinger setzt man in der Geschichte von 800 bis
1050 ein. Man sah typische Beispiele des Kunst- und
Kultgerätes, u. a. das Modell eines Kolonistenhofes
auf Stöng in lslond, Schmuck, Waffen und Beklei-
dung, die besonders bizarre Ausgrabungsstätte der
Wikingersiedlung Haithabu, ienen Schnittpunkt und
ienes Bollwerk der Nord-Süd-Landverbindung, dessen
Geschichte besonders bunt und bewegt ist. Daneben
große Dokumentationsfotos von Landstrichen,
Burgen, Kirchen, Grabstätten und Originalreste von
Schiffsspanten, Ankern und Schiffsnasen. Reiches
Panorama einer komprimierten Schau, die eher
dokumentarisch-populär das überdurchschnittliche
Interesse des Publikums erklärt. Der Mythos und
die nicht vorurteilsfreie Meinung über die Wikinger
selber, die einerseits von Verteufelung durch Zeit-
genossen bis zur realistischeren Charakterisierung
der heutigen Forschung reicht, dieser Mythos wird
weiterhin leben und faszinieren als ein geheimnis-
umwittertes Kapitel skandinavischer Historie, durch
diese Ausstellung nur neu angeregt (Abb. 1, 2).
Günter Dietz - Moderne Drucktechniken
Altes Haus, Säulenhof,
Wien 1, Stubenring 5
13. Februar bis 13. März 1973
Auch der Sachkundige sah der Ausstellung der
Dietz-Offizin mit gewisser Spannung entgegen.
Allein das Wort Offizin weckte Assoziationen
an die große Zeit der Druckkunst, an ihre Anfänge
und ihre epochemachenden Auswirkungen in aller
Welt. Ob die Dietz-Offizin auf völlig neue Weise
diesem traditionsreichen Medium einen neuen
Anfang in anderer Richtung setzen konnte? Dann
stand die Ausstellung, und man war förmlich
umringt von alten und mehr modernen Meistern der
Malerei. Verblüfft befühlte man die „Echtheit",
nicht eines millionenteuren Unikates, sondern
originalgetreue Nachbildung oder besser Nach-
schöpfung eines solchen. Bei allem was bisher im
Bereiche der Reproduktionstechnik auch erstrebt
und erarbeitet wurde, hier öffnete sich ein Weg zur
Originalität einer gleichen Schöpfung nach dem
Original. Prof. Dr. Roßmann, Basel: „Das
schlechthin Neue an Dietz' Methode ist die
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materialauthentische Wiederholung des Originals.
Dadurch unterscheiden sich seine Repliken grund-
sätzlich von Reproduktionen mit anderen Mitteln . . ."
Prof. Dir. Dr. Mrazek: „Diese Technik erlaubt es,
auch den gestaltenden Schaffensvorgang des
autonomen Künstlers nachzuvollziehen, die Farben
direkt und beliebig dick aufzutragen und sie sowohl
deckend wie auch lasierend zu verwenden."
Günter Dietz exemplifizierte der neugierigen Presse
aus seinen Anfängen, wobei er unter anderem in
einem eher experimentellen Ausnahmefall bis auf
90 (l) Farbzustände kam. Für den Eingeweihten
selbst fast unvorstellbar. Kompliziert, im Siebdruck-
verfahren, Schicht für Schicht aufgetragen, die
Farbe nach genauen Analysen den Künstlerfarben
gleich hergestellt. Und man konnte konform mit
H.-H. Kossatz feststellen: „Das ,Original' ist
überflüssig." Grundsätzlicher Arbeitsvorgang:
Fotografieren des Originals aus drei Richtungen,
Filterung und Trennung der Farben und vor allem
Einfühlungsvermögen in die Arbeitsweise des
Künstlers. Und Günter Dietz zu seiner Arbeit: „Das
ganze Geheimnis der Dietz-Repliken ist kein Ge-
heimnis, sondern das Ergebnis eines logischen
Denkvorganges, sorgfältiger Analysen, eines
Gefühls für die künstlerische Kraft eines Werkes und
eines logischen Druckvorgangs." Beruhigt kann ein
mit Recht besorgter Museumsdirektor Glanzstücke
seiner Sammlungen übers Wasser oder in die Lüfte
zu Ausstellungen schicken, hier eröffnet sich eine
der stärksten Möglichkeiten und ein echter Nutzen,
die von der Dietz-Offizin ausgehen können
(Abb. 3, 4).
Meine Reise durch China
Vortrag Arch. Werner Blaser, Basel
Neues Haus. Vortragssoal
B. März 1973, 19 Uhr
Der zur gleichen Zeit in der Hochschule für an-
gewandte Kunst ausstellende Schweizer Architekt
Werner Blaser zeigte die Berührung eines
Europäers mit den alten Baukulturen Chinas auf.
Ebenso ging er auf die Lebensgewohnheiten des
heutigen Mao-China ein, stellte kulturelle Kausali-
täten fest, ließ den Kunsthistoriker iedoch un-
befriedigt.
Vesna Desian präsentiert
Mode und Dekor Sommer 1973
Altes Haus. Säulenhof
14. März 1973. 20 Uhr
Ehemalige Schüler der Akademie für angewandte
Kunst präsentierten in einer Vorführung selbst-
gefertigter Textilien gegenwärtige Tendenzen aus
der Welt der Mode. Dekore, vorwiegend in
Schwarzweiß, zeigten figurale und ornamentale
Motive, die, inspiriert und nachempfunden, van
Aubrey Beardsley über den Jugendstil bis zu
orientalischen und mauresken Vorbildern reichten.
Warum Wikinger?
Vortrag Prof. Dr. Bertil Almgren,
Universität Uposala
Neues Haus. Vortragssaal
15. März 1973, 18 Uhr
lm Rahmen der zur gleichen Zeit im Haus veran-
stalteten Ausstellung „Welt der Wikinger" ging
Prof. Almgren im wesentlichen davon aus, die
amphibische Welt der Wikinger auszudeuten. Die
souveräne Handhabung der pfeilschnellen Schiffe,
ihre Kampftechnik und astronomischen Kenntnisse,
Bewaffnung und ihre von asiatischer Kavallerie be-
einflußte Bekleidung, dies alles erstand in äußerst
anschaulicher Weise und machte dieses Volk der
Kolonisatoren und Entdecker zugleich lebendig.
7 fantastische Humoristen
Ausstellung der Galerie Herzog -
Galerie im Glaskasten, Wien,
Altes Haus, Saal 1,
Wien 1, Stubenring 5
17. März bis 23. April 1973
Als echte Spontanschau, ganz schnell, zogen sieben
zum Teil weltbekannte Karikaturisten im Saal 1 ein.
Künstlerische Zeitgenossen, die sich todernst bis
hinreißend humorig in die Kunstgeschichte kritzeln
und zeichnen. Quantitativ eher unzureichend
selektiert, schöpfte der am stärksten vertretene
Tomi Ungerer, der als einziger zum Anlaß nach
Wien gekommen war, den Fublicityrahm ab.
Machte mit Esprit die Honneurs, ist interviewfreudig,
fast ausgelassen. Lang, iugendlich-schlaksig,
sympathisch. Dir. Dr. Mrazek dankt Komm-Rat
Herzog, umreißt in treffenden Worten die Situation
des Künstlers, der karikierend die Welt, unsere eher
unheile Welt aufs Korn nimmt, und meint selber
humorig, daß er am liebsten iene Seiten der
Zeitungen aufschlüge, auf denen die Humoristen zu
Bild und Wort kommen. Sie wären ein wahres Lab-
sal für Geist und Auge inmitten der täglichen
Textwülste an Greueln in den Journalen.
Am Beginn der Schau Reiner Zimnik, Polen, er
strichelt sich durch mit affenartigen Wesen
bevölkerte Urzeitwelten und Rituals bis zu Schlün-
den von Untergrundbahnen. Sempe, Frankreich, mit
köstlicher sonnenbebrillter Cöte d'Azur-Snobiety
und wildschlenkerndem, rhythmusgeschütteltem
Tanzheer, Partys mit stur gaffenden, fressenden
und klaffenden Mäulern, vor denen man zusammen
mit Tomi Ungerer herzlich lacht. Wenige zart-
strichige Zeichnungen des Exzentrikers Edward
Gorey, USA, seine figurale „Evil Garden Serie"
und die obskure „West Winng Serie", doppelbädige
Belle-Epoque Romantizismen. Auf breitestem
Raum Tomi Ungerer, Kanada, in Farbe und
Schwarzweiß; gallige Amerikanismen, Fratzen und
Salonhyänen mit pferdezahnigen Mäulern und
schockierend mit einer Folge von geradezu unwahr-
scheinlichen Sexabstrusitäten. Steifster Zeigefinger
auf eine verderbte Welt, die nur noch Lust kennt.
Schließlich Roland Topor, Polen, mit seinen Alpträu-
men, verrenkten Figuren und Gesichtern einer
unheilen sex- und nikotinverräucherten Welt, seinem
hintergründigen Surrealismus. Schluß der Schau die
beiden Österreicher Luis Murschetz und Paul Flora.
Ersterer treibt sein Unwesen auf stürmischen Meeren
mit lecken, verlassenen Schiffen, laakoonartigen
Seeungeheuern a la Loch Ness, Schiffsleichen und
fahrenden Monstersärgen mit Scheinwerfern. Und
endlich Flora, der hier etwas stiefmütterliche
Bedachte, der nach wie vor durch seine geistvolle
Art und die ungeheure Präzision seiner Striche und
Schraffen herausragt. Er macht diese Welt zwar
lächerlich, doch immer noch voll Nachsicht und ohne
Zynismus. Humorist reinsten Wassers. Über allen
sieben fantastischen Humoristen Musikberieselung
von Procol Harum über Cilla Black bis zum guten
alten Duke Ellington. Alles in allem eine Schau, die
größer an Volumen und an Raum hätte sein
können, um dieser Kunst und ihrem Wesen mehr
Verständnis zu verschaffen. Lebt doch nach wie vor
das Vorurteil, daß die Originalzeichnung eines
Karikaturisten nichts mehr ist als nur eine Druck-
vorlage und nicht ein Kunstwerk, das man einem
anderen Kunstwerk gleich in seine Wohnung hängt.
Daran sollte man denken! Am Rande vermerkt:
Auf Wunsch zeichnete Tomi Ungerer dem Schreiber
dieser Zeilen seine Insel irgendwo da unten bei
Neufundland: eine Wellenlinie, halb herausragend
ein menschliches Gesäß, darüber zwei Vögel. Ein
echter Tomi Ungerer, ob er uns nicht allen die
Gnade voraus hat, am „P. . ." der Welt zu leben
(Abb. 5, 6).
Meisterklasse für Architektur
Fritz Janeba - Ausstellung der
Hochschule für angewandte Kunst,
Altes Haus, Säulenhof,
Wien 1, Stubenring 5
24. März bis 23. April 1973
„Es gibt keinen Abfall!" Mit dieser Generalforde-
rung beginnt ein Professor für Architektur dem
Studenten von früh an die Verantwortlichkeit für
seine Umwelt einzuflößen. Auf eindringlichste
Weise. lm Zeitalter der massenhaften Wegwerf-
plastik und deformierter Blechberge zerschrotteter
Autos eine lebenswichtige Forderung des
Architekten in seinem Bereich. Nach sechs Jahren
Lehrtätigkeit stellt der Nachfolger des so leiden-
schaftlich-progressiven Pädagogen Professor Franz
Schuster, Professor Fritz Janeba, seine Meister-
klasse vor. Gibt Rechenschaft über das, was er mit
der Architekteniugend tut und vor hat, und man
empfinde? Genugtuung über soviel realitäts-