A Künstlerprofile
„Homa onimolis") 197a. Kugelschrei-
ber, Temvera, FilzstiftfMillimeterpa-
prer, 43x61 cm
2 „Heine unlmclls", im. Collage,
BleistiftlKartan, 42,Bx6'l cm
3 „Homa animalis", 1973. Tempera,
riiman, KugelschreiberlMillimeterpu-
pler, 43x6lcm
4 „Herr Neureich fährt am Sonntag
ausf, 1974. Kugelschreiber, Temveral
Mrlllmeterpapier, 43x61 cm
5 Bernhard Hollemann
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Bernhard Hollemann
Hollemann ist, wie viele andere begabte Künstler,
in entscheidenden Jahren seines Lebens in eine
Umgebung gekommen, die ihn nicht mehr losließ
und auf seine Entwicklung Einfluß ausübte. Er
wurde in BorsumfHildesheim geboren, studierte
auf der Wiener Akademie bei Professor Andersen
und war ein eifriger Besucher Herbert Boeckls.
Zeichenunterricht vor dem Aktmodell, dem in die
Wiener Kunstgeschichte eingegangenen „Abendakt"
Hollemann wohnt in Baden, ist österreichischer
Staatsbürger und mit einer Badnerin verheiratet.
Von der Schule Andersen ist in seinen ietzigen
Arbeiten nicht viel zu bemerken. Das Können, das
er sich bei Boeckl erworben hat, kommt ihm aber
gerade bei der stark graphischen Arbeitsweise,
der er ietzt nachgeht, außerordentlich zustatten.
Wir können sehr bald eine persönliche Note in
Hollemanns Arbeiten finden, die sich gerade in
den letzten drei oder vier Jahren zu einem
ausgeprägten eigenen Kanon entwickelte. Öfters
wurden seine Arbeiten als engagiert und gesell-
schaftskritisch apostrophiert. Sicher ist die Wirkung
seiner Blätter auf den Beschauer auch eine solche,
der Künstler selbst hat sie iedach nicht dahin
orientiert. Er hält fest. Wie die vorzeitlichen Maler
der Eiszeithöhlen die Erscheinungen ihrer Umgebung
auf die Hohlenwand zeichneten, aus ähnlichen
Voraussetzungen, so will es uns scheinen, zeichnet
Hollemann die Erscheinungen unserer Welt auf
ein Festhalten, gleich einem Bannen, einem Zauber.
Das scheint nun auch zu einer ähnlichen Technik
geführt zu haben: Festhalten mit dem großen,
das Charakteristische erfassenden Strich. Erst später
kommt die Farbe dazu, und diese wird flächig
aufgetragen und ist selbst wieder Träger eines
Festzuhaltenden. Durch die Farben werden
Zusammenhänge mit nicht sichtbaren Wirklich-
keiten, etwa Eigenschaften, hergestellt.
Auch die Breite der Schilderung bei Hollemann
scheint uns mit iener urzeitlicher Maler
verwandt. Und doch ist unser Künstler ganz in
unserer Zeit verankert. Wir finden bei ihm vor
allem Probleme, Aufschwünge und Verirrungen
unseres Jahrhunderts in seinen Bildserien. In einer
großen Folge beschäftigt er sich mit der Raumfahrt
und mit allem, was damit zusammenhängt.
Beängstigende Bilder des Homo technicus
erscheinen vor uns. Aus dieser sehr technisch
orientierten Periode stammt vielleicht auch die
Verwendung von Millimeterpopier. Er selbst sah
in dieser Rasterung des Grundes ein verbindendes
Element seiner isolierten Figurenwelt. Später
übernimmt diese Funktion oft die Farbe.
Eine folgende Serie zeigt: „Herr Neureich fährt am
Sonntag aus". Auch hier sind alpdruckartig die
Zwänge aufgezeigt, denen ein Mensch verfällt,
dessen moralisches Potential mit ienem der
technischen Gegebenheiten nicht Schritt gehalten
hat. In filmstreifenortig nebeneinandergereihten
Umrahmungen werden Wunschbilder oder Variatio-
nen von Möglichkeiten an den Rand des
Geschehens, hier des Bildes, gezeichnet. Eine
Technik, die er in seiner umfangreichen nächsten
Serie „Homa animalis" verstärkt anwendet. Das
Thema ist vielschichtig behandelt, wie io die
meisten Bilder Hallemanns mehrere Ebenen haben.
Hier ist einerseits das Tierische im Menschen, aber
andererseits auch eine gewisse mythologische
Überlieferung, Metamorphosen und Symbolik,
zuordnender Vergleich und Pröformation gezeigt.
Der Phantasie ist in diesen Blättern keine Grenze
gesetzt, und sie zeigt immer neue Zusammenhänge
auf. Von der Rasterung des Grundes kommend,
über Bildchenfolgen, Ubermalungen, Vergitterungen
durch Quer- oder Wellenlinien werden immer wieder
Verschleierung und Entschleierung, Moskierung und
Entemoskierung gezeigt. Die Farbe, Teilbereichen
vorbehalten, ist leuchtend und voll Kraft.
Hollemann ließ seine Arbeit reifen. Doch nun setzt
er uns die Zeichen der Zeit an die Wand. Es sieht
fast so aus, als würden sie viele verstehen. Zu
wünschen wäre es. Alois Vogel