In Amsterdam war es vor allen anderen die
Kupferstecherfamilie Bellekin, die „Nautilus"-
Schalen auf besondere Weise dekorierte: nach
Abbeizen der Oberhaut wurde die weißliche
Prismenschicht unter Aussparung weniger schlan-
ker Voluten bis auf die Perlmutterschicht abge-
schliffen und diese letztere poliert, um darauf
Szenen nach den damals weitverbreiteten Kup-
ferstichen des Jacques Callot (159271635) und
auch aus Vorlagenbüchlein einzugravieren. So
die Insekten des Jacob Hafnagel (1575-1630) und
Motive des Francois Le Febvre (um 1635 in
Paris), der seinerseits viel aus Callots Graphik
entlehnte. Jan Bellequin, ein geborener Elsässer,
bezeichnete sich selber, in einem Protokoll um
1617, als „Inventar ofte uytvinder von seererconst
von inleggen"; sein Sohn Cornelius, dessen Söhne
und Verwandte versorgten einen weitausgrei-
fenden Markt. Cornelius betätigte sich auch als
geschäftstüchtiger Perlmutterhändler. Seine
gravierten „Nautilus"-Schalen waren fast durch-
wegs zum Aufhängen bestimmt, wie ein schönes
Exemplar im Museo PoIdi-Pezzali zu Mailand,
das hier erstmalig publiziert wird", zeigt.
Jüngste italienische Museumspublikationen brin-
gen, endlich, auch Beiträge über Edelmetall-
arbeiten und andere Kleinkunstwerke. So ge-
langte aus privater Hand ein gravierter „Nauti-
Ius"-Becher in die Civiche Raccolte d'Arte Appli-
cata im Castello Sforzesco zu Mailand: Schmet-
terlinge, Motten, Fliegen, aber auch Kleinvägel
locker auf der Perlmutterschicht verstreut. Ge-
halten wird er von einem Götterpaar Terra und
Oceanus, sie mit Flammen in der Hand, er mit
Ruder, aber auch einem Falken auf rundem Sok-
kel; fein getrieben allerlei Seegetier. Als Be-
kränung eine bekleidete Fortuna mit einem band-
färmigen Segel. Die silbervergoldete Arbeit
zeigt den Augsburger „Zirbel", während das
Meisterzeichen leider unleserlich ist".
Im selben Museum befindet sich ein weiterer
„Nautilus"-Becher auf rundem Fuß in Durchbruch-
arbeit mit einem Putto und Fisch. Er war für
die Gravierung vorbereitet, die dann unterblieb:
die Perlmutterschicht ist zum größten Teil frei-
gelegt, im Buckel blieb dagegen auch die ge-
flammte Oberhaut stehen. Wie das Exemplar im
Museo Poldi-Pezzoli, war auch dieses ursprüng-
lich zum Aufhängen gedacht und zeigt den
Buckel entsprechend sauber ausgesagt. Leider
sind auch hier Meister- und Beschauzeichen un-
leserlich".
Die nächste Arbeitsphase zeigt ein „Nautilus"-
Pokal in der Schatzkammer der Residenz in
München, mit dem Beschauzeichen Düsseldorf,
um 1660 datierbar: das Abschleifen der Ober-
haut erfolgte etwas grob; während die Gravie-
rung als Fries unter dem Becherrand gestaltet
wurde. Eine Landschaft an einem weiten See,
durch Bäume in Einzelszenen aufgeteilt, mit
Fischerbooten und auftauchenden Fischen. Dar-
unter FruchtdoIden_ Das Ganze auf einem delika-
ten Rollwerk und Filigran, angenehm aus den
standardisierten Füßen sich herauslösend.
Für die Fassung dieser schönen polierten Schalen
wurden Galdschmiedemeistern, außer eventuel-
len besonderen Wünschen der hohen Auftrag-
geber, keine Grenzen gesetzt. Wohl schon im
letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts wurde
in Paris ein Weihrauchschiffchen hergestellt, ietzt
im leider so arg ausgelichteten Schatz der Ka-
thedrale von Chartres bewahrt. In den Formen
des „gothique flamboyant" sind an Bug und
Heck architektonische Aufbauten, wobei die
Rundbogen durch Streben mit Kreuzblumen ab-
wechseln; ein weiterer Aufbau steht Mittschiffs
an Stelle des Mastes. Der Bugteil ist aufklappbar,
um den Weihrauch entnehmen zu können. Am
Fuß halten zwei auf einem Podest stehende
weibliche Figuren einen Wappenschild, darunter
ist die Inschrift zu lesen: DES BIENS DE MON-
SEIGNEUR MILE D'ILLIERS EVESQUE DE LUCON
DOYEN DE CHARTRES ET NEPVEU DES MESSY-
EURS MILE ET RENE D'ILLIERS EVESQUES DE
CHARTRES. Leider zeigt dieses unter den älte-
sten Beispielen der Verwendung eines „Nautilus"
keine Meister- und Beschauzeichen; im Jahre 1540
gelangte es in den Domschatz von Chartres. Et-
was älter ist als ein schönes Stück von 1482; einst
in den Sammlungen des Bourghley Hause, Lin-
colnshire, gelangte es ins Victoria and Albert
Museum in London". In diese Reihe gehört auch
das schöne Exemplar in der Pfarrkirche zu Saint-
Nicolas-Du-Port sowie ienes andere, ungemein
prunkvoll gearbeitete Werk in der Kathedrale
von Reims, wenn auch in Karneol ausgeführt.
Ursprünglich als Tafelaufsatz gedacht, wurde
diese „Nef" im Jahre 1501 Anne de Bretagne,
anläßlich ihres Einzuges in Tours, überreicht,
dann 1574 von König Heinrich Il. nach Reims
gestiftet. Aus dunkelrotem indischem Karneol
besteht der Schiffrumpf, während Aufbauten und
Figuren aus vergoldetem Silber und „Ronde-
bosse"-Email bestehen: in diesem Falle die heili-
ge Ursula und ihre Leidensgenossinnen. Der
bekannte englische Forscher Charles Oman iden-
tifizierte das Beschauzeichen mit Raymond
Guyonnet in Tours".
Eine recht originelle Lösung befindet sich im
Fitzwilliam Museum zu Cambridge, von einem
unbekannten Meister 1585186 in London ausge-
führt: auf dem wellenbedeckten Fluß reitet Nep-
tun auf einem monströsen Fisch und hält die
kunstvoll gegliederten Metallbänder, welche die
Muscheln befestigen, mit manieristischen Motiven
verziert. Vom Rücken derVoIute kriecht ein Hum-
mer herüber, um seine Fühler in die Schale zu
tauchen. Ein Metalleinsatz mit weit vorgezogener
Lippe sollte die Benützung als Kanne ermögli-
chen. Die Schale selber ist fein graviert, in der
Qualität dem erwähnten Exemplar in Wien na-
hestehend".
Sehr viel aufwendiger ist der Aufbau des monu-
mentalen „Nautilus"-Pokals des Nürnberger
Meisters Nikolaus Schmidt in den Sammlungen
des Buckingham Palace zu London. Vier musi-
zierende Meerfrauen zwischen „Cardium"-Mu-
scheln tragen die Fußplatte mit einem auf dem
Hippocampus reitenden Neptun. Auch hier muß
der Gott der Meere die Muschelfassung halten,
die in reicher Ornamentierung zur Randlippe des
Pokals überleitet. Auf den Deckel hat sich ein
Adler herabgelassen, von dessen Rücken ein
Blitze schleudernder Zeus absteigt. Das lebendi-
ge Flimmern der Metallflächen kontrastiert zum
ruhigen, seidigen Schimmer der, leider, ange-
schlagenen Muschel".
Geradezu amüsant ist der Einbau eines „Nauti-
lus" in die Komposition des Nürnberger Gold-
schmieds Hans Rappolt, um 1579 im Auftrage
des Kardinals De Lorraine (1525-1574) ausge-
führt: die Muschel wurde als Schiff auf ein vier-
rädriges Fahrgestell gesetzt. Wind blüht das ein-
zige Segel an der am Mast hängenden Rah mit
vereinfachtem Takelwerk. Von Hellebardieren
eskortiert, thront Seine Eminenz achterwärts;
ihm zugewendet sitzt am Backbord ein Haupt-
mann mit Muskete, während ein am Steuer-
bord lehnender Soldat seinen Kameraden am
Bug zum Abfeuern der Muskete auffordert; zwei
weitere, kleinere Schützen stehen im Mastkorb.
Dieses originelle Schiff befindet sich jetzt in der
Pfarrkirche zu Saint-Nicolas-Du-Port (Meurthe-
et-Moselle). Ursprünglich als unterhaltsamer Ta-
felaufsatz gedacht, trägt es sowohl das Nürnber-
ger Beschauzeichen als auch des Meisters Stem-
pel".
Durch besondere Vornehmheit der Fassung zeich-
net sich ein heute in Privatbesitz in London
befindlicher „Nautilus" aus, wohl Werk des
Salzburgers Hans Mentz: Auf dem ovalen Fuß
stützt eine Meerfrau mit Armen und Schwanz
die fein gegliederte Fassung, während ein Perl-
kranz über den Buckel nach vorne gelegt ist.
Der Deckel der Kanne trägt auf einem Sockel ei-