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beiter oder der Arzt keinerlei Verzierung an seiner
funktionellen Arbeitskleidung trägt, sind die Fell-
gewänder der Eskimos, die Panzer antiker Kamp-
fer oder die Harnische mittelalterlicher Ritter
meist mit i-funktionslosenu Ornamenten versehen,
die kunstfertige Handwerker herstellten und die
den Träger schmückten, um dabei zugleich seinen
sozialen Status hervorzuheben und ausgespro-
chen repräsentativ zu wirken.
Den hier beschriebenen zwei Möglichkeiten, den
Ursprung der Bekleidung des Menschen zu erklä-
ren - einmal Protektion vor Witterungseinflüs-
sen, zum anderen die Erkennbarkeit des Trägers
durch sein Gewand -, sind noch zwei weitere hin-
zuzufügen: Eine streng moralisierende, auf der Bi-
bel fußende Auffassung erklärt die Kleidung des
Menschen aus seinem Schamgefühl! Daß diese
Vorstellung einseitig ist, beweisen nicht nur man-
che Bewohner heißer Gegenden, die ganze ohne
Bekleidung leben und deren Schamgefühl da-
Yvrrn-iyrrvn nur ,-,-l..t.w.-,.
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durch keineswegs verletzt wird, sondern auch die
Beobachtung, daß kleine Kinder in unserem Kul-
turkreis ganz unbefangen auf Nacktheit reagieren,
d.h. auch diese Menschen müssen das Schamge-
fühl erst erlernen!
Schließlich lst als vierte und wohl wichtigste Kom-
ponente für das Bekleidetseln das Schmuckbe-
dürfnis des Menschen zu nennen, das eng verbun-
den ist mit der Intention, sich selbst auch gegen-
über der Umwelt durch seine Kleidung darzustel-
len, und das im weitesten Sinne den Bereich der
Mode umfaßt. Ein Stich Abraham Bosses von et-
wa 1640 versinnbildlicht das Schmuckbedürfnls
und den visuellen Reiz der Kleidung (Abb. 2): In ei-
ner Folge von Darstellungen der fünf Sinne ist die
Allegorie des Gesichtssinnes, des Blickes, durch
eine Frau symbolisiert, die gerade ihre Toilette
vollendet.
Kulturhistorische Untersuchungen, die sich mit
der Rolle der Mode beschäftigen, verbalisieren die
B wlsraeliten aus Galizien-i, Fotografie, Atelier J. Dutkie-
wicz. 2. Hälfte 19. Jahrhundert. OMAK, K.l. 5774
9 tiCigainer aus Kossowi- (Galizien). Fotografie, Atelier
J. Dutkiewicz, 2. Hälfte 19. Jahrhundert. OMAK, K.l.
5774
10 Fünf Figuren einer Soldatenserie. B_unt statfiertes Por-
zellan. Wiener Porzellan, 1850l52. OMAK, Ke 9579 bis
9618
11 Ritter des Goldenen Vlieses. Kupferstich aus: Schau-
platz [toher Ritter-Orden, Deutsch, Mitte 1B. Jahrhun-
dert. OMAK, K.l. 3608
12 Kartausermönch. Kupferstich ausuEduardo Fialetti:
Habiti delle Religioni, Paris, 1658. OMAK, K.l. 1911
13 "Ratsherru. Kupferstich aus J.R. Schellenberg:
Schweizer Trachten Zürichgebiets, Winterthur, 1784.
OMAK, K.l. 2802
14 "Mulier Wiennensis in Domoa, dat. 1649. Kupferstich
aus Wenzel Hollar: Aula Veneris, London, 1844.
OMAK, K.l. P1815
15 t-Baurenmadchenu. Kupferslich aus J. R. Schellenberg:
ächweizer Trachten Zürichgebiets, Winterthur, 1784.
OMAK, K.l. 2802
Anmerkungen 2 - 11 s. S. 31
15
axalgivßrr.
13
vielschichtige Funktion der Kleidung für den Men-
schen. So schreibt Eduard Fuchs in seiner nlllu-
strierten Sittengeschichteu: "Die Kleidung ist die
Gußform, mit Hilfe derer die Körper vom Geiste
der Zeit im Geiste der Zeit geformt werdende Ein
Aufsatzband mit Beitragen zu den verschieden-
sten Themen i-Moderneu) Kultur" betont 1907 die
soziale Funktion: "Rang und Wert seiner Persön-
lichkeit, die Stellung, die man im sozialen Leben
einnimmt, durch sein Äußeres auszudrücken, lag
von jeher im ehrgeizigen Sinn des Menschen, war
darum immer das Amt der Bekleidungßl" Rene'
König interessiert der umfassende Charakter der
Mode, wenn er formuliert: "Das heißt daß die
Mode keineswegs nur eine äußere - verschönern-
de oder auch verunstaltende - Zutat zum Leben
ist, sondern daß sie ein wesentliches Regelungs-
und Ausdrucksmittel der gesellschaftlich leben-
den Menschen darstelltß" Adolf Loos hingegen
polemisiert: "Damenmode! Du gräßliches kapitel
Äämrnmüßkn .
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