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und verlassen, als Fürst Gabriel Bethlen (1618) den Ausbau der Festung anordnete.
Wie der gleichzeitige Chronist Szalardi erwähnt, wurde die baufällige Kathedrale bis auf
den Grund abgebrochen und die Steine zum Festungsbau verwendet. Zugleich mit der
Domkirche ging auch das Grab Ladislaus des Heiligen zu Grunde. Nur die ehernen
Statuen der heiligen Könige standen noch aufrecht im Burghof.
Das Jahr 1660 brachte eine furchtbare Katastrophe über die Stadt. Nach der
unglücklichen Schlacht bei Szasz-Fenes wurde zunächst der tödtlich verwundete Fürst Georg
Räköczy II. nach VLrad geschafft, wo er auch starb, und bald darauf traf das siegestrunkene
Türkenheer ein, um Varad zu belagern. Lange und heldenmüthig wurde es vertheidigt, auch
von den Studenten, deren Blute im Kampfe fiel, aber Alles war vergebens; zuletzt sah
sich die arg znsammengeschmolzene und ausgehungerte Besatzung gezwungen, auf freien
Abzug die Veste zu übergeben. Die Einwohner flüchteten sich meist nach Siebenbürgen, wo
sie ein — wie sie glaubten, zeitweiliges — Asyl fanden; aber sie haben das Erbe ihrer
Väter nie wiedergesehen. Auch einer der Lehrer des Varader Gymnasiums, der (1661) ein
Büchlein „Über den Sturz der Schutzsäule des Christenthums", nämlich Groß-Wardeins,
veröffentlichte, nennt sich auf dem Titelblatt: „Johann Püspökr, em von Varad in die
Fremde gezogener Lehrer". Die Bestürzung über den Fall Groß-Wardeins war allgemein,
sie wurde unter Anderem gekennzeichnet durch die Worte des gleichzeitigen Grafen Nikolaus
Bethlen: „Damals gelobte ich . . . mein Haar nicht mehr scheeren zu lassen, bis daß nicht
Gott der Herr Varad an Siebenbürgen zurückgegeben hätte." Damals wurde zum großen
Schaden der ungarischen Geschichte und vieler Familien des Landes auch das reiche Archiv
des Domkapitels vernichtet, und zugleich verschwanden die letzten Kunstdenkmäler des
alten Varad, die Standbilder der Könige, aus denen türkische Kanonen gegossen wurden.
Als endlich Varad nach dreißigjähriger Knechtschaft im Jahre 1692 von den Türken befreit
wurde, da waren Stadt und Festung ein Trümmerhaufen.
Varad mußte neu gegründet werden und diese Aufgabe fiel nun abermals dem
Varader Bisthum zu, das nach dem Abzug der Türken aus anderthalbhundertjahnger
Verbannung wieder zurückkehrte. Seinen alten Sitz in der Festung konnte es jedoch nicht
mehr einnehmen, sondern sah sich in die Vorstadt Olaszi hinansgedrängt. Hier erbaute
es jenes Kirchlein, das damals die einzige Kirche der Stadt und Domkirche des Varader
Bisthums war!
In Museen kommt noch hier und da eine kleine Kupfermünze vor, auf deren einer
Seite zu lesen ist: „In (zuweilen ?ro) Nsesssitata Varnämimi.« Ihre Entstehung fallt
in die Zeit, als Franz Raköezy die Festung Varad belagern ließ (1703 bis 1710); damals
litt die Besatzung auch an empfindlicher Geldnoth und da ließ der kaiserliche Commandant
Stefan Becker alles Kupfer und Metallgeräth einziehen und daraus diese Münzen prägen.