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brochene und filochirte Arbeiten in Leinen geltend. Es ist nicht
in Abrede zu stellen, dass bei diesem Aufschwung der ä jour
durchbrochenen Weisszeugarbeiten das Aufblühen des Holzschnittes
und mit ihm die Anfertigung der vielen Muster- und Model
bücher mit ihren Vorbildern und Patronen grossen Vorschub
leistete. Ebenso ist,es nicht zu verkennen, dass die Garnirung
und reichere Ausstattung der Hemds-Aermel und Kragen, ferner
die Ausstattung des Weisszeugs für den häuslichen Gebrauch in
seiner Anwendung zur Verzierung von Kissen, Bettdecken, Tisch
spreiten, Handtüchern, Bett- und Fenster-Vorhängen der jetzt
. zur Mode gewordenen Vorliebe für Spitzen und Kanten grossen
Vorschub leistete. Gleichwie also mit dem Eintritt der Renaissance
die im Mittelalter so hoch geschätzte figurale und ornamentale
Stickerei auf Sammt, Seide - und Wolle für kirchliche Zwecke
mehr und mehr in den Hintergrund trat, desto grösseren Auf
schwung nahm dagegen die Nadelarbeit für profane Zwecke auf
durchbrochenen Leinenstoffen und auf netzförmig gearbeiteten
Unterlagen. Nicht lange jedoch sollte es andauern, dass diese
allgemein gewordene Vorliebe für Anfertigung künstlicher Nadel
arbeiten in durchbrochenen Weisszeugsachen auch dem Kirchen
leinen in ausgedehntem Maasse zu Gute kommen sollte. Zunächst
war es das Corporale, an welcher die neue „welsche Kunst“
jedoch erst gegen Schluss des XVI. Jahrh. eine b'is dahin ungekannte
Fülle von ä jour durchbrochenen Nadelarbeiten anzubringen be
gann. An den Corporaltüchern des XVI. Jahrhunderts tritt in ihrer
Gediegenheit besonders die durchschnittene Arbeit (point coupe)
auf, in durchaus verwandten Musterungen, wie sie in venetia-
nischen Musterbüchern und in Siebmacher’s Modelbuch zu ersehen
sind. Auch die Schutztücher in Leinen zur Garnirung der Stolen
fanden seit dieser Zeit eine reiche Entwickelung in ausgeschnittener
Arbeit. Ferner werden die Ränder der Altartücher und besonders
der mit weissem Leinen umkleidete Rand der Antependien und
der Altarpredellen mit den kostbarsten durchbrochenen, Kanten
und Spitzen sowohl diesseits als jenseits der Berge verziert. An
den Röckeln und Alben des XVI. Jahrhunderts tritt die durch
brochene und durchschnittene Arbeit noch seltener auf, da im
XVI. Jahrhundert das Rochette als weites faltenreiches Gewand