des Handwerks fehlt, ist die Uneinheitlidikeit des künstlerischen
Gesamtbildes deutlicher fühlbar als bei den Schablonen.
Die kulturelle Lage, die sich in diesem Sondergebiet des künst
lerischen Lebens sehr deutlich und bezeichnend spiegelt, ist in
sehr aufschlußreicher Weise mit der gleichzeitigen kulturellen
Lage Europas verwandt; hier wie dort handelte es sich um
eine Spätzeit, eine „Gründerzeit“ — in Japan gekennzeichnet
durch das jähe Einbrechen der europäischen technisierten Zivili
sation in die reiche üppige Welt der Tokugawa-Zeit bei der
Eröffnung des jahrhundertelang künstlich abgeschlossenen
Landes — eine Gesellschaft, die aus der gläubigen, zukunfts
sicheren Hingabe an die „neue Zeit“ und aus den anfänglichen
industriellen Vorteilen der technisierten Zivilisation ein ge
steigertes Selbstgefühl und eine erhöhte Lebenslust bezog, die
nach künstlerischem Ausdruck verlangten. Da aber dieser
Scheinblüte die Kraft zu neuen Formen künstlerischer Be
wältigung der Welt im allgemeinen fehlte, kam es in Europa
wie in Japan nur zu einer breiten Verwendung überlieferter
Kunstformen, die wohl durch neue, von überall genommene
Anregungen vielfältig durchsetzt und bereichert, aber nicht
schöpferisch umgeformt wurden.
Verläßt man aber den entwicklungsgcschichtlichen Betrach
tungsstandpunkt und gibt sich unbefangen dem Genuß dieser
späten Zierkunst hin, dann wird man restlos gefangen und
bezaubert sein von der Überfülle künstlerischer Einfälle, die
unerschöpflich und immer wechselnd vor einem vorüberziehen,
und was sich dem kritischen Betrachter zerlegt in eine Viel
heit von auseinanderstrebenden Einzelheiten, wird sich dem
unbefangenen Betrachter mühelos zusammenfügen zu dem ge
schlossenen Gesamtbild einer Zierkunst von ausgeprägter
Eigenart. Dies um so leichter, als aus der Ferne seiner eigenen,
anders gearteten Kultur für den Europäer die auseinander
strebenden Züge zurückgedrängt und die gemeinsamen, die
zusammen die Vorstellung des „Japanischen“ ergeben, in den
Vordergrund gestellt werden.
Die Vielfalt der formalen Mittel und Wirkungen, die dem
japanischen Zierkünstler zur Verfügung stehen, ist erstaun
lich. Von Gebilden, deren schlichte Einfachheit bis zur Monu
mentalität gesteigert ist, reicht die Skala bis zu solchen von
filigranhafter Zierlichkeit. Die Kurven, eines der wichtigsten