Rottenhann’s Reaction.
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die Abneigung vieler Obrigkeiten, Seelsorger und selbst Gemeinden wider die
Schulverbesserung legen ; die Lehrerstellen könnten leicht an einfache Hand-
wei’ker übertragen, die Industrial-Arbeiten mit dem Schulunterrichte in Ver
bindung gebracht, das Schulgeld aber aufgehoben werden. Die Schulen der
kleineren Städte hätten sich nur wenig von den Landschulen zu unterscheiden,
in den grösseren Städten aber neben den Trivialschulen eigene Hauptschulen
für die Kinder derjenigen Bürger zu bestehen, welche die Aussicht auf eine
gelehrte Erziehung haben. Hier könnte das Schulgeld als Ausschliessungs
mittel für die grosse Menge aufrecht erhalten, den fähigen Armen durch Stipen
dien unter die Arme gegriffen werden. Aller Volksunterricht sei mit dem
Cultus zu verweben, die Erziehung der Mädchen aber in den Städten ganz den
Klöstern, namentlich den englischen Fräuleins, zu überlassen.
Aus den Berathungen der Studien-Bevisions-Commission, welche
übrigens den bisherigen Leistungen auf diesem Gebiete eine viel grössere An
erkennung, als Bottenhann, zollte, ging ein Entwurf zur Einrichtung und Orga
nisation der Volksschulen hervor, welcher im Jahre 1804 als „Plan einer künf
tigen Verfassung und Leitung des ganzen deutschen Schulwesens” die kaiser
liche Sanction erhielt.
Aus demselben erwuchs endlich am 11. August 1805 jener Schul-Codex,
welcher unter dem Namen „Politische Verfassung der deutschen Volks
schulen” ihre Zustände bis in die jüngste Zeit beherrschte. Aus seinen
Bestimmungen sind — von der an anderer Stelle erwähnten Uebergabe der
Schulverwaltung an die Kirchenbehörden abgesehen — folgende die wichtigsten 1 ).
„Trivialschulen sollen überall bestehen, wo ein Pfarrbuch gehalten
wird, auf dem Lande und in den Städten. Trennung der Mädchen von den
Knaben ist wünschenswerth, namentlich aber wird sie in den Städten an
empfohlen; wo die Einrichtung eigener Mädchenschulen unthunlich ist, sollen
die Mädchen auf eigenen Bänken abgesondert sitzen. In jedem Kreise soll
mindestens eine Hauptschule aus vier Classen bestehen, deren dritte Olasse
Mädchen nur dort besuchen dürfen, wo keine besonderen Mädchenschulen
gehalten werden. Die Hauptschule einer Landeshauptstadt ist Normal- oder
Mu sterschule. In den Landeshauptstädten sollen auch eigene Mädchenschulen
für gebildete Stände errichtet und mit Lehrerinnen bestellt werden.’’
„Die Kinder der Trivialschulen gehören zu denjenigen Classen von Menschen
in Städten und auf dem Lande, die ihren Unterhalt beinahe bloss durch An
strengung ihrer physischen Kräfte erwerben. Da es nun alle Mal ein Haupt
fehler der Volksbildung ist, wenn sie einseitig auf die Bildung einer einzigen
Seelenkraft hinausgeht, oder wenn sie bei der übereinstimmenden Ausbildung
aller Seelenkräfte nicht auf das Bedürfniss der Classe, die sie bearbeitet und
1) Diese Stellen finden sich wörtlich theils im Schul-Codex, theils in dem ihm zu Grunde
liegenden und zur Motivirung dienenden „Plane”.
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