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Es gereicht der preußischen Staatsregierung zur Ehre, dass sie, trotz
dem das Kunstgewerbemuseum in Berlin noch ein Privat-Institut ist, zu
Zwecken von Ankäufen kunstgewerblicher Objecte so bedeutende Geld
mittel bewilligt. Dieses Vorgehen der deutsch-preußischen Staatsregierung
ist nicht als eine specielle Liebhaberei der leitenden Persönlichkeiten,
welche vielleicht das Kunstgewerbemuseum fördern möchten, zu betrachten,
sondern es muß als ein Staatsprincip angesehen werden, und zwar als ein
solches, welches allen Museen zu Gute kommt. Die Förderung des deutschen
Kunstgewerbemuseums betrachtet die preußische Regierung als eine Ver
mehrung des Nationalcapitals, das sowohl im Interesse der Wissenschaft
als im Interesse der Kunst und des Kunstgewerbes reiche Zinsen tragen
wird. Es wird sich uns später wohl Veranlassung bieten, auch über die
königlichen Museen zu sprechen, aber soviel kann man schon jetzt sagen,
dass das Kunstgewerbemuseum in Berlin durch die glänzende Dotirung
und die großen Ankäufe, welche von Staatswegen für diese Anstalt gemacht
wurden, an künstlerischem Besitzthum das reichste Kunstgewerbemuseum
in Mitteleuropa ist.
Mit dem Berliner Kunstgewerbemuseum ist auch eine Unterrichts
anstalt verbunden, und zwar eine Kunstgewerbeschule, welche
denselben Zweck verfolgt wie die Kunstgewerbeschule des Oesterr. Museums.
Sie besteht aus zwei gesonderten Th eilen, nämlich aus einer Vor
schule, analog den Vorschulen an den preußischen Gymnasien, einem
Abend- und Sonntagscurse und der eigentlich enKunstgewerbe-
schule, welche wieder inVorbereitungsclassen und Compositions-
und Fachclassen geschieden ist. Die Vorschule hat den Zweck, jene
Schüler heranzubilden, welche sich eine künstlerische Bildung neben ihrer
anderweitigen Thätigkeit erwerben wollen. Die Vorschule besteht aus
mehreren Classen und findet der Unterricht an denselben an Wochentagen
theils von 5'/„—7V0 Uhr Abends, theils von j'f„ — gV 2 Uhr Abends statt.
Der Sonntagsunterricht findet von 8—12 Uhr Vormittags statt. In der V o r-
schule wird elementares Ornamentzeichnen, Ornamentzeichnen und Formen
lehre, geometrisches Zeichnen und Projectionslehre, architektonisches Zeich
nen, Gypszeichnen, untere Stufe, Gypszeichnen, mittlere Stufe, Gypszeichnen,
obere Stufe, ornamentales Modelliren und figürliches Modelliren gelehrt.
Das Unterrichtsgeld ist sehr bedeutend, denn es variirt zwischen 4 und
8 Mark für jeden einzelnen Gegenstand und Quartal. Das System der
Vorschulen scheint mir ein sehr zweckmäßiges; es wäre sehr gut, ähnliche
Vorschulen beim Oesterr. Museum einzuführen, damit dieses nicht isolirt
den kunstgewerblichen Fortbildungsschulen gegenüber steht. In den Vor-
bereitungsclassen der Kunstgewerbeschule wird gelehrt: das
Ornamentzeichnen und Formenlehre, geometrisches Zeichnen und Projections
lehre, architektonisches Zeichnen, Gypszeichnen, untere Stufe, Gypszeichnen,
obere Stufe, Naturstudien, Actzeichnen, Anatomie und Proportionslehre und
Stylgeschichte a) der Architektur b) des Kunstgewerbes. Der Unterricht findet