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Deutschlands aus socialpolitischen und ethischen Motiven lebhaft begünstigt
wird; dass die ethischen Motive, welche zur Belebung des Innungswesens
führen, in einem von der Kaufmannschaft ausgehenden Berichte nicht
weiter berücksichtigt werden, finden wir ganz begreiflich; aber dass diese
vorhanden sind, kann Niemand läugnen. Der intellectuelle Egoismus, der
durch die neuen Innungen großgezogen wird, ist kein Heilmittel für den
modernen Socialismus. Den neuen Innungen sollen als wesentliche Auf
gaben zufallen:
1. Die Pflege des Gemeingeistes, sowie die Aufrechterhaltung und Stär
kung der Standesehre der Innungsgenossen;
2. die Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und
Gesellen und für die Nachweisung von Gesellenarbeit;
3. die nähere Regelung des Lehrlingswesens und der Fürsorge für die
technische, gewerbliche und sittliche Bildung der Lehrlinge;
4. die Entscheidung von Streitigkeiten der in der Gewerbeordnung be
zeichnten Art zwischen den Innungsgenossen und Lehrlingen.
Der Bericht führt ferner an, dass viele erfreuliche Erscheinungen
der letzten Zeit Kunde geben von dem fortschreitenden und erfolgreichen
Drang nach Bildung und Vervollkommnung in der Handwerkerjugend,
nach tüchtiger und veredelter Gestaltung der Arbeit in zahlreichen Fächern
unter Zöglingen von Innungsmitgliedern, wie von solchen Meistern und
Gewerbetreibenden, die außerhalb der Innungen stehen. Nichtsdestoweniger
stellen sich die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft gegenüber den
Bestrebungen zur Wiederbelebung der Innungen auf den Boden der Ge
werbefreiheit. Sie sprechen sich dahin aus, »dass nur auf dem Boden
der Gewerbefreiheit die neu zu bildenden Innungen mit er
weiterten Aufgaben für die Förderung des Handwerks stehen
können, und dass sie nicht mit Zwangsbefugnissen ausgestattet
werden dürfen«.
Es ist ferner ganz bezeichnend für die Frage der Belebung des Kunst
fleißes der Bevölkerung, dass diese Körperschaft, die sich doch vorwiegend
mit kaufmännischen, volkswirtschaftlichen und rein gewerblichen Fragen
beschäftigt, doch bei keinem Anlasse die Gelegenheit vorübergehen lässt,
den Bewegungen des Kunstgewerbes ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Auch der Errichtung einer keramischen Fachschule redet sie das Wort,
bemerkend, dass am hauptstädtischen Markte die besten Luxusartikel durch
englische, französische und böhmische Fabriken vertreten sind, was haupt
sächlich dem vielfach beklagten Mangel an schulmäßig ausgebildeten
Malern und Modelleuren zugeschrieben werden muss. Auch wird hervor
gehoben, dass die Glasindustrie in Berlin nicht so glänzend vertreten ist,
als es wünschenswerth sei, und zur Hebung dieses wichtigen Industriezweiges
die Gründung einer Versuchsanstalt für Glasindustrie in Berlin
empfohlen, damit auch auf diesem Gebiete in dem commerciellen Central
punkte Deutschlands eine Anstalt geschaffen würde, wie solche für manche