MAK
Hummer 13. 
Seite 195. 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Ihrem Programm um die edelsten Güter der lllenschheit 
handelt. Verständigen mir uns: fs mar mirklich nicht 
meine Absicht, Ihre Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, 
um Sie zu beleidigen. Steckenpferd ist nämlich nicht so 
schlimm, roie es sich auf den ersten Anblick ausnimmt. 
Gin bildlicher Ausdruck, entnommen der Spielroelt des 
Kindes. Als Urheber des „Kleinen Rudi“ — laßt uns 
sofort dahineilen und es in der Ausgabe der Universal- 
bibliothek für 24, in Prachtband für 72 Heller erstehen 
Gott, roie ich die Reklame hasse! — also, ich als „der 
jenige, melcher“ brauche nicht erst zu versichern, daß mir 
das Spiel des Kindes als etroas sehr Hohes und Verehrungs- 
mürdiges gilt. Im übertragenen Sinne respektiere ich also 
das Steckenpferd auch bei den Großen, und darum roird 
mir jeder, der sammelt, auch sofort interessant. 
Wir müssen da unterscheiden: Wenn der Hof, der 
Staat, das fand, die Stadt sammeln, dann erfüllen sie 
eine Kulturmission. Sie zahlen eine Schuld an die Bevöl 
kerung. Wenn aber ein Privater sammelt, dann kriegt 
die Sache ein anderes Gesicht, fr denkt zunächst nicht 
an Kulturmissionen, beschäftigt sich nicht mit der allge 
meinen Glücklichmachung der lllenschheit, er folgt nur 
einer Privatpassion, huldigt einer Liebhaberei. tr denkt 
nicht daran, aber schließlich übt er doch eine Kulturmission 
— an sich selbst in erster Pinie, in roeiterem Verlaufe 
oft genug aber auch für die Allgemeinheit. Das haben 
mir hinreichend oft erfahren. 
Ich befrachte das Sammeln als ein Spiel, aus dem 
häufig frnst roird, und darum muß es auch ernsthaft ge 
nommen roerden. Als ein Spiel deshalb, roeil es abseits 
vom Pebensberuf und so nebenher zur Zerstreuung, zur 
frholung, zur Anregung und Auffrischung begonnen roird. 
Das Spiel schafft sich Spielraum — erescit eundo und 
oft geschieht es dann, daß es den Lebensinhalt bereichert, 
ihn erst schafft. Das ist doch nichts Geringes! fs ist 
roirklich etroas sehr frnslhaftes um das Spiel, fs gehört 
zu jenen Überflüssigkeiten des Lebens, die unumgänglich 
notwendig sind zu einer vita Vitalis und ohne welche roir 
armen gedrückten Sterblichen nicht leben könnten und 
möchten. Das muß schon ein recht beklagenswerter, gott 
verlassener Pedant sein, der sich vorseßt, seinen Lebens 
weg abzuschreiten, ohne seine Seitensprünge mit seinem 
heimlichen Steckenpferd zu machen. 
Unter allen erdenklichen Liebhabereien und Privat 
passionen erscheint mir das Sammeln als eine der respek 
tabelsten. fs bildet Spezialisten und Gelehrte heran, von 
denen die Schulweisheit sich oft nicht träumen läßt und 
die für Kunst und Wissenschaft oft mehr und fruchtbareres 
geleistet haben, als so mancher roohlbesta'lter Professor. 
Die Liebhaberei erzieht und erhöht ihren Ulann. Auch das 
ist Kulturmission - und dann, Sie aussen, „roenn die 
Rose selbst sich schmückt“ —. fs wäre schon genug, 
roenn der Sammler selbst sich erzöge und erhöhte, aber 
sein Werk roird früher oder später, mehr oder minder 
Gemeingut und kommt der lllenschheit zugute. Für die 
sogenannten Hilfswissenschaften roerden nur in seltenen 
Ausnahmsfällen Katheder aufgerichtef auf den Universitäten 
und Akademien. Da haben roir denn an den Sammlern 
einen Generalstab von Professoren, die sehr wichtige frgän- 
zungen liefern zu den weitverzweigten kulturellen Bestre 
bungen unserer Zeit, fs ist kulturelle Kleinarbeit, die sie 
verrichten, indem sie Schöße auflesen, sichten, in System 
und Ordnung bringen, die sonst unbeachtet blieben, während 
sie nun Licht verbreiten, und das Licht roeckt Keime und 
schafft Fruchtbarkeit. 
Sie sehen also, lieber Kollege, mit mir ist zu reden. 
Ich habe roirklich Respekt vor dem Sammeln und den 
Sammlern und roas nun Ihre zweite Frage betrifft, ob ich 
selber — ? Das ist so 'ne Sache, natürlich habe ich auch 
ein Steckenpferd, seien Sie ruhig, mehr als eines. Rur 
gerade fürs Sammeln hat es niemals gelangt. Oleine 
kleine Passion wären nämlich große Kunstwerke, und Sie 
begreifen — ich bin ein deutscher Schriftsteller und — 
weihen Sie dem Umstande eine stille Freundesträne 
roas noch viel bedenklicher, ja äußerst bedenklich ist, 
deutscher Schriftsteller in Österreich. 
Maximilian Harden (Berlin). 
Ich habe die Freuden des Sammelns nie gekannt. 
Dr. Paul Heyse (Illünchen). 
Auf Ihre Anfrage kann ich nur antworten, daß mir 
seit den Knabenjahren, roo ich Käfer sammelte, all und 
jeder Sammeltrieb gefehlt hat. 
Dr. ffloriß Hoernes, 
llniuersitätsprofessor, Kusfas am naturhistorischen Hafmuseum 
(Perchtolsdorf bei Wien). 
Leben und Tätigkeit des Kulturmenschen kann man 
zur Gänze unter dem Gesichtspunkte des Sammelns be 
trachten. Wir sind alle Sammler und, soweit roir es frei 
willig und bewußt sind, mit der entsprechenden Passion. 
Ohne Sammeln kein Vergleichen und ohne dieses kein 
Wissen. Wer zu sammeln weiß, muß auch das Wegroerfen 
und Liegenlassen verstehen. Aber Sammler roerden leicht 
exklusiv und dadurch einseitig und ungenießbar. 
So denke ich über das Sammlerroesen. fine Lieb 
haberei in dem von Ihnen gemeinten Sinne habe ich nicht 
und perhorresziere sie grundsäßlich gegenüber den wissen 
schaftlichen Objekten, mit welchen ich mich beruflich be 
schäftige. Hier soll man höchstens als Vorsammler auf- 
treten, der die Dinge für geeignete öffentliche Institute 
rettet und ins Trockene bringt, natürlich gilt das nicht 
für alle Kategorien wissenschaftlicher Serien, z. B. nicht 
für naturhisforische Gegenstände, ferner nicht für münzen, 
Bücher u. dgl,, aber für Archivarien, Antiken im engeren 
Sinne mit finschluß von prähistorischen Altertümern. 
Große Privatsammlungen sind da eher zulässig, als kleine, 
nach dem Grundsaße, den man Dieben gegenüber wenig 
stens sprichwörtlich aufstellt, aber aus anderen Gründen, 
roeil nämlich große Privatsammlungen nie so im Dunkel 
bleiben, roie kleine. Dennoch sind sie ein Übel, wie die 
kleinen und ganz kleinen Ortsmuseen, welche sich jeßt 
überall erheben. 
ITTax Kalbeck (Wien). 
Bedürfte mein altes Sammlerherz nicht großer Schonung, 
so würde ich Ihnen ein langes, an Sentenzen reiches Lob 
lied auf die edle Liebhaberei des Sammelns singen. Sa 
kann ich Ihnen nur in aller Kürze sagen, daß ich dieser 
früh in mir erwachten Leidenschaft, die bisweilen zur 
Raserei ausartete, dann aber mit den Jahren sich immer 
mehr beruhigte und abklärte, eine Fülle reiner Freuden 
und einen Schaß von frfahrungen und Kenntnissen ver 
danke, der das Wenige, was ich sonst in Schule und 
Leben gelernt habe, bei weitem übertrifft. 
Als Knabe habe ich nacheinander Siegel, münzen, 
Briefmarken, Steine, Pflanzen, Käfer und Schmetterlinge, 
als Jüngling und Ulann Kupferstiche, alte Drucke, Bücher 
und Handschriften gesammelt. Auf Seltenheit der Objekte 
und Vollständigkeit kam es mir dabei weniger an, als auf 
Schönheit und figentümlichkeif der fxemplare. mich inter 
essierten die Dinge nicht, solange ich kein persönliches 
Verhältnis zu ihnen gewinnen konnte. Auch in der Gattung 
liebte ich das Individuum und meine finbildungskraft half 
mir, roas mich nicht näher anging, symbolisieren, so daß 
die realen Gegenstände nebenher ein poetisch-phantastisches 
Leben höherer Ordnung führten, frst dann hatten sie 
ihren eigentlichen, unbezahlbaren Liebhaberroert, wenn auch
	        
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