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Internationale Sammler-Zeitung.
Rümmer 9,
Kolonien gefolgt. Als konkrete Solle werden Schiebungen mit
ITladagaskar-marken angeführt. Der Vorgang ist geradezu raffiniert
zu nennen und es dürfte nicht leicht sein, den Übelstand gründlich
zu beseitigen.
Die Herstellung der marken für die französischen Kolonien
geschieht in Paris, in den Ateliers auf dem Bauleoard Brune. Die
einzelnen Kolonialoerwaltungen haben die Bestellungen für ihre
Alarken nach Klafjgabe des ooraussichtlichen Bedarfs an das
Kolonialministerium zu richten, natürlich kann es oorkammen,
daf] dieser Bedarf zu gering angeschlagen roird und einzelne Werte
nergriffen sind, ehe nachbestellungen in Paris--effektuiert werden
können. Siir diesen Sali ist Vorsorge getroffen. Durch ein Dekret
des Cwuoerneurs sind die lokalen Postoermalfungen nämlich er
mächtigt, marken zu „Überdrucken“, d. h. den ursprünglichen Wert
der marke durch jenen Wert zu ersetjen, dessen man gerade bedarf.
Auf dieses Dekret sind die ITlarkenspekulationen der Kolonial
beamten aufgebauf. Die Herren machen die Ausnahme zur Regel.
Sie richten ihre Bestellungen beim ITlinisterium so bescheiden ein,
daß bald dieser, bald jener Wert ausgehen muß und jedenfalls
früher erschöpft ist, als die neuen Sendungen zur Stelle sein können,
inzwischen wird mit Hochdruck am „Überdruck“ gearbeitet. Das
Resultat sind dann sogenannte Seltenheitswerte. Ganz kostspielige
Raritäten werden aber nebenbei noch dadurch erzeugt, daf] einzelne
Buchstaben beim Überdruck oermischt werden (id est Fehldruck).
Auch außer Kurs gesellte Exemplare werden durch diesen Überdruck
zu neuem, kurzen Heben erweckt und ihnen wenigstens für den
Seltenheitssammler hoher Wert uerliehen.
Dem „matin“ wurde jüngst eine Kollektion marken oon der
Insel madagaskar oorgelegt, auf denen alle diese lukratioen
Jrrtümer figurieren: Außer Kurs gesefjte Exemplare mit neuem
Überdruck (lUarken oon Diego-Suarez), absichtliche Fehldrucke,
(00,1 statt 0,01). Dank dieser kleinen „Korrektur“ notiert momentan
eine marke, die am Postschalter mit 2 Eentimes oerkauft wird,
mit fünfzehn Franks. Das Geschäft blüht und man braucht
nicht erst zu oersichern, daß sich in den „Gewinn“ aus dieser
nußbringenden Tätigkeit einige Beoorzugte teilen.
Das zitierte Pariser Journal fügt seinen ITlitteilungen noch
bei: Aus einer Enquete, die in dieser Angelegenheit ocranstalfct
wurde, ging heroor, dafj auch die Behörden oon madagaskar
aus dem „trrtume“ Vorteil zogen. Auf Veranlassung eines Richters
überdruckte man mit 0,05 Eentimes eine Anzahl marken oon
30 Centimes braun aus madagaskar und Diego-Suarez. Auf das
Konto eines anderen hohen Beamten ist es zu seßen, dal] einige
Blocks marken mit 0,02 überdruckt wurden. So kassierten auf der
großen afrikanischen Insel spekulatioe ITlenschen unerlaubte Bene-
fizien ein, die sich auf 30.000 bis 40.000 Franks beliefen.
Cremoneser Geigen.
Im Rathause zu Genua wird eine kostbare Reliquie auf-
bemahrf: die Geige, die Paganini in seinem Testament der Stadt
geschenkt hat. Keinen Schal] hütet die Stadt eifersüchtiger als
diesen und keinem ITlenschen war es, seif dem Tode des großen
meistere, bisher oergönnt gewesen, die Saiten des Instrumentes
zu rühren. Vor wenigen Wochen jedoch brachte man die Geige
wieder unter die ITlenschen. Bronislaw Hubermann, der öster
reichische Künstler, lief; sie um niitleid für die Unglücklichen singen,
die das sizilianische Erdbeben um Hab und Gut gebracht hatte.
Zu diesem hohen Zweck erlaubten die Stadtoäter oon Genua, daf]
die Paganini-Geige oon eines meistere Händen gespielt werde. Es
war eine groije, erhebende Feier, als man die Seele des toten
Künstlers für die unglücklichen Überlebenden der Katastrophe
bitten hörte.
Diese in Genua oerwahrte Paganini-Geige ist übrigens, wie
Tean Frollo im „Petit Parisien“ erzählt, nicht die einzige, die den
grafjen Kleister überlebt hat. Vor nicht langer Zeit wurde in
Chiaoari unter dem Gerümpel eines Dachbodens in Gesellschaft
oon eigenhändigen Briefen und Kompositionen Paganinis eine Geige
entdeckt, die dem Kleister gehört hat. Das Instrument befand sich
in einem schlechten Zustande, die Saiten waren abgerissen, die
Wände zerschunden und zerkraf]f. Aber an der Authentizität ihrer
Zugehörigkeit besteht kein Zweifel. Klan sagt sogar, daf] dies
dieselbe Geige sei, auf der Paganini eines seiner berühmtesten
Braoourstiicke gespielt hatte. Als der Künstler eines Abends in
den Konzertsaal trat, um sein D-moll-Konzert auszuführen, bemerkte
er, dal] nur eine einzige Saite, die G-Saite, über das Instrument
gespannt war. Die anderen drei Saiten hatten ihm neidische
Widersacher abgeschnitfen. Kurz gefafjt, nahm Paganini das In
strument unter das Kinn und führte das schwierige Konzert auf
der einen Saite aus. Er spielte es mit solcher Vollendung, daf] das
Publikum in Raserei geriet.
Für diese Geige hafte ein lombardischer Edelmann 100.000
Franks geboten. KTan wird finden, daf] 100.000 Franks für eine
Geige, selbst wenn sie Paganini gehört hat, ein hoher Preis ist.
Aber diese Summe stellt nur eine Etappe in der Preisentwicklung
oor, die die Cremoneser Geigen in den leßten fünfzig Jahren durch
gemacht haben. KTan erinnert sich, daf] dem berühmten Geiger
Eugene 9s ae im Dezember des oorigen Jahres in Petersburg eine
Stradioarius gestohlen wurde, die zum mindesten auf 75.000 Franks
geschäht war. Die Preise der Cremoneser Geigen sind noch immer
im Steigen begriffen. Wenn ihr Erbauer Stradioarius, der seine
Instrumente zu Anfang des XVIII. Jahrhunderts zu oier Talern
in Gold oerkauft hat, heute wieder auf die Erde käme, er wäre
sehr erstaunt über den Wert, den man seinen Werken in unserer
Gegenwart beimif]t. So wurde im Jahre 1884 eine Stradioarius in
üizza oon einem Engländer um 20 000 Franks gekauft und einen
KTonat später um 25.000 Franks weiteroerkauff. Ceudet erzählt,
daf] eine echte Cremoneser oon einem Herrn Camoureux um 8000
Franks gekauft wurde, im Jahre 1877 um 15.000 Franks weiteroer
kauft und im Jahre 1800 oon einem Herrn Orchard um 25.000 Franks
erstanden wurde. Die Stradioarius „Ca pucelle“ wurde aus dem
lTachlaf] eines Herrn Glandaz um 22.000 Franks oerkauff. Ein In
strument aus dem Jahre 1722 erstand ein Engländer für 30.000
Franks. KT. de Cawrie erstand eine Stradioarius oom Violinisten
Alard für 16.000 Franks und oerkauffe sie oier Wochen später für
20.000 Franks an einen Herrn Adams. Der eben genannte Alard,
der aus dem Tlachlaß seines Schmiegeroafers die Stradioarius
„ITlessias“, die im Jahre 1716 erbaut wurde, um 25.000 Franks
gekauft hatte, oerkaufte sie im Jahre 1890 einem Sammler aus
Edinburgh für 50.000 Franks. Im Pariser Konseroatorium werden
zwei Cremoneser Geigen uermahrt, oon denen jede auf 100.000 Franks
eingeschäfjt ist.
Der lombardische Edelmann, der die in Chiaoari gefundene
Paganini-Geige für 100.000 Franks kaufen wollte, hatte die Absicht,
das Instrument oon Chemikern untersuchen zu lassen, damit das
Geheimnis der Zusammensef]ung des Cackanstriches, mit dem die
Cremoneser Geigen gedeckt sind, endlich gelöst werde. Dies scheint
ein bizarres Unternehmen zu sein, hat aber seine guten Gründe.
Denn der hohe Wert der Stradioarius-Geigen ist durch zwei ITTa-
menfe bestimmt: durch den Cack, dessen Hersfellungsrezept uerloren
gegangen ist, und durch die Qualität des Holzes, das zum Bau
des Geigenkörpers oerwendet wurde. Die KTinderwertigkeit unserer
heutigen Geigen ist ausschließlich auf die Unkenntnis dieser beiden