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Internationale Sammler-Zeitung,
Nr. 14
Neue Erwerbungen des Linzer Museums.
Aus dem Berichte des Direktors Dr. Hermann Ubeil.
Ein Separatabdruck aus dem Jahresberichte des
Museums Francisco Carolinum in Linz gibt erfreuliche
Kunde von dem Zuwachs der kunst- und kulturhistori
schen Sammlungen dieses von Dr. Hermann U b e 11
trefflich geleiteten Institutes.
Dem Berichte, der der fachkundigen Feder Ubells
entstammt, entnehmen wir folgende interessante
Angaben: »Der Bedeutung entsprechend, welche das
keramische Kunstgewerbe in Oberösterreich seit dem
16. Jahrhundert innehat, wird der Sammlung von Ton
waren (Hafnerarbeiten, Fayencen. Majoliken und Por
zellanen) in unserem Museum ein besonderes Augen
merk zugewendet. Da die künstlerische Majolikaiabrika-
tion in Gmunden neuerdings wieder im Aufblühen
begriffen ist, haben unsere Sammlungsobjekte auf diesem
Gebiete nicht nur den Wert kunstgeschichtlicher Illustra
tionen, sondern können auch im didaktischen Sinne der
modernen Kunstgewerbemuseen als Vorbilder auf die
Fabrikation im Lande anregend und erzieherisch wirken.
Mit großer Freude war die Möglichkeit der Er
werbung eines bunten Hafnerkrügels aus dem 16. Jahr-
Rkc, 2. Hafnerkrügel, 16. Jahrhundert.
hundert (Fig. 2) zu begrüßen, das in geschnittenen
Ornamenten sechs farbige Glasuren vereint und sich
als ein spezifisch oberösterreichisches Erzeugnis der
Renaissance darstellt; die Munifizenz der Allgemeinen
Sparkasse machte die Erwerbung des Gefäßes, das zu
den gesuchtesten Seltenheiten zählt, möglich. Demselben
Institut verdanken wir die Mittel für die buntbemalten
figuralen Holitscher-Fayencen (Fruchtaufsatz, bestehend
aus einem schalentragenden knienden Triton und einem
Salzmanderl und Pfefferweiberl; Mitte des 18. Jahr
hunderts), die heute gleichfalls sehr stark begehrt sind.
Eine Spende des Herrn Richard Hofmann ermöglichte
die Anschaffung eines Satzes von fünf prachtvollen süd
deutschen Fayencehumpen aus der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts, meist thüringische Fabrikate, mit
figuralen Malereien oder mit einer von Delfter Vor
bildern abhängigen Ornamentation. Den schönen Urbino-
teller (Fig. 3) in charakteristischer Farbenauswahl, mit
einem sitzenden und musizierenden Hirten in freier
Landschaft bemalt (italienische Majolika, 16. Jahr
hundert), verdanken wir der Freigebigkeit unseres
Gönners, des Fürsten Liechtenstein. Die ent
zückende große Gruppe aus Sevres-Biskuit »L'cduca-
tion de l'amour«, modelliert von Pigall 1773, wurde aus
einer Spende des Herrn Walter Franck angekauft. Es
ist eine anmutsvoll aufgebaute fünffigurige Rundkompo
sition von echtester Rokokograzie, durchaus im Sinne
Bouchers empfunden: der Genius der Liebe macht die
jungen Mädchen gelehrig und unterrichtet sie in allen
Künsten, nicht zuletzt in der Koketterie. Eines be
sonderen Studiums wert ist die wundervolle Führung
der Linien dieser Komposition, die vom sitzenden und
sich spiegelnden Mädchen aufwärts den in der Mitte
auf einem Felsblock sitzenden Amor umkreist und in
seinen Flügelspitzen endigt. Weitere bemerkenswerte
Ankäufe zu dieser Abteilung sind die zum Teil sehr
originell dekorierten oberösterreichischen »Zwiebel
schüsseln« (in Engobetechnik bemalt). Alt-Gmundener
Majoliken, darunter ein von Herrn Gustav W' e i d i n g e r
gespendetes figurales Scherzgefäß, ein in Blau sehr
schön nud streng dekoriertes Krügel von dem Deliter
Krugbäcker Adrian Pynacker (zirka 1700), und eine
Schneider-Spottschüssel (Fig. 4) aus dem 18. Jahr
hundert. Unter den neuerworbenen Porzellanen ist
ferner noch eine sechskantige barocke Kaffeekanne
Fig. 3 Urbino-Teller, 16. Jahrhundert.
(Meißen vor der Marke), mit Chinoiserien bemalt, und
eine mit figuralen Malereien verzierte Alt-Wiener
Suppenterrine (1802, angekauft von der Allgemeinen
Sparkasse) hervorzuheben. Auch wurde eine kleine
Sammlung von böhmischen Steingutwaren der Empire
zeit angelegt, die in unseren Gegenden stark in Ge
brauch waren.
Unter den alten Gläsern sind zwei mit Email
malereien besonders wichtig; ein großer Becher vom
Jahre 1736 (aus St. Georgen a. d. G.) mit der Darstellung
eines Müllers und einer Müllerin in barocker Tracht,
zwischen den beiden die Embleme des Müllerhand
werkes und ein Reimspruch: »Wer Weiz und Korn zu
mahlen hat, der bring mirs in die Mühl herab.« Ferner
eine plattgedrückte Schraubenflasche mit der landes
üblichen Darstellung der Dreifaltigkeit, die auf einen
Dürerschen Typus zurückgeht, in Emailfarben, ungefähr
aus derselben Zeit. Unter den jüngeren Gläsern sticht
ein reich vergoldetes Alt-Wiener Prunkglas mit der
Miniatur des Stephansdemes hervor, von dem Wiener
Anton Kothgasser, einem Schüler Mohrs. Alle diese Neu
erwerbungen auf dem Gebiete des Glases werden weit
übertroffen durch die beiden prachtvollen, buntbemalten