Nr. 5
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 71
der Hohcnzollern in der Mark erhöhtes Interesse.
Friedrich der Große erscheint in der Folge der
von Pesne, von Chodowiecki, von Oraff, Frisch und
Franke geschaffenen Typen — wieder eine Gelegenheit,
das Problem seiner äußeren Erscheinung, das uns gerade
diese Tage nahe legen, zu studieren. Neben ihm das
fridericianische Berlin und Potsdam, die Städte und die
Menschen; darunter die kulturhistorisch reizvollen Dar-
Fig. 7. Barackenlager bei Westend, 1808.
Stellungen der verschiedenen Berufszweige von
Schienen (Fig. 5: »Buchdrucker«, und Fig. 6: »Blick
in die Werkstatt eines Druckers von Kupferstichen«).
Weiter die Künstler der Zeit. An der Spitze der noch
nicht nach Verdienst geschätzte .loh. Gottlieb G 1 u m e
und Meister Georg Friedrich Schmidt. Dann ein
starkes Konvolut Chodowiecki, in dem auch die
Demoiselles Quantin und das Dutzend der Minna-Illu
strationen nicht fehlen. Seine Nebenmänner: M e i 1,
Rode. Sein Nachfolger: Daniel Berger. Den Kupfer
stichen schließen sich die frühen modernen Holzschnitte
des jüngeren U n g e r an, unter denen sich die hübschen
Tiervignetten befinden.
Fig. 8. Fanchon, auf dem Berliner Nationaltheater.
Die Epoche des Rokoko und des Klassizismus —
auch das nicht oft vorkommende Blatt des Franzosen
lagers bei Westend (1808) taucht auf (Fig. 7) - wird ab
gelöst vom Biedermeiertum. Niemals haben die Stadt, |
ihre Straßen, Plätze, Schmuckanlagen, Gebäude, ihre
nähere Umgebung eine solche Anziehungskraft auf
Zeichner, Stecher und Lithographen ausgeübt wie unter j
Friedrich Wilhelm III., da Berlin neu erstand. Durch j
Heinrich Heine wissen wir, daß man auch zwischen 1820 ,
und 1830 die preußische Residenz vielfach schon ähnlich I
umfaßte wie heute: nicht eigentlich als ein Stadt
individuum, sondern als einen »Ort, wo viele Menschen
wohnen« — ein »Häuser-Agglomerat« sagten die Väter
des »Wettbewerbs Groß-Berlin«. Aber die bescheidenen
und redlichen Künstler der Biedermeierzeit wußten es
besser und hinterließen uns in ihren munter belebten,
aus liebevoller Anschauung geborenen, fein erfaßten und
mit vollendeter Akkuratesse ausgeführten Veduten das
unvergängliche Dokument einer zierlichen und impo
santen Stadt, die sehr w'ohl über eine eigene Seele ver
fügte. Die Humoristika und die Serie der »Berliner
Redensarten«, über die sich noch der alte Goethe mit
Eckermann amüsierte, tragen das ihrige dazu bei, das
bodenständig berlinische Wesen, dessen Entwicklung
nun ihren Höhepunkt und zugleich ihre letzte Blüte er
reichte, für alle Zukunft zu konterfeien. Natürlich führt
auch bei Aufseesser D ö r b e c k den lustigen Reigen, in
dem neben ihm Franz Krüger und Theodor Hose
mann, Adolf Schrödter und Julius Schoppe sich
zum Worte melden. Viele dieser Blätter sind schon sehr
selten geworden.
Mehrere Sonderprovinzen laden zum Besuch:
Studentika, Militaria und — ein wuchtiges
Kapitel für die Zeit der politischen Stagnation in den
Fig. 9. Convivium der Gebrüder Humboldt.
»dreiunddreißig Jahren« — Theatralia, ihrer Be
deutung entsprechend besonders ausgestaltet. Auch da
bei Rarissima, wie die Lithographie, auf der Henriette
Sontag nebst gräflichem Gatten mit dem »König
städter« Cerf und dem Bankier Beer auf tritt, oder das
giaziöse Fanchonblatt (Fig. 8). Aus der Gruppe
»Berliner Persönlichkeiten« sei das anonyme Kon-
vivium der Brüder Humboldt herausgehoben (Fig. 9).
Der Schwerpunkt der ganzen Sammlung aber liegt
in der Abteilung: »Berliner Künstler«. Sie rückt eine an
700 Nummern umfassende Schar von Arbeiten ein
heimischer Maler und Zeichner aus der ersten Hälfte des
XlX. Jahrhunderts zusammen, die wieder einmal mit ver
nehmlicher Stimme für die charakteristischen Eigen
schaften der Berliner Kunst Zeugnis ablegen: für diese
ganz bestimmt erkennbare lokale Schule, als deren Kenn
zeichen sich ehrlichster Wirklichkeitssinn, unbeirrbare
Naturtreue, tüchtiges Handwerk und, neben einer Neigung
zu trockenem Vortrag, die vielfach hervortritt, nicht nur
scharfer Witz, sondern — das wird, oft vergessen — auch
eine krause und schweifende Phantastik präsentieren.
Man darf nicht vergessen, daß auch E. T. A. Hoffmann
den Berliner Geist vertritt, daß neben Kleists scharfer