Nr. 14
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 217
findung und die feste Zeichnung des Meisters auf diesen
Scheiben gut zur Geltung kommen, sind es doch immer
hin nur unvollständige Teilstücke. Erst kürzlich wurde
dann eine in sich abgeschlossene Figurenscheibe er
worben; ein Marienbild. Es ist aus feurig gefärbten
Gläsern zusammengesetzt und zeigt die Mutter Gottes,
wie sie in violettem Gewand und tiefblauem Mantel vor
einem braungoldig ausgesparten Strahlenkranz steht, den
ein roter Grund mit schwarzem Damast umgibt. Da Hans
Wild immer wieder gewisse Typen und Formen aus
seinen eigenen Werken wiederholte, so ist es nicht
schwer, seine Hand an vielen Einzelheiten dieser
Marienscheibe zu erkennen. Die Fialen des Rahmens
decken sich genau mit den Fialen der Konstanzer
Baldachine in Berlin, der 1904 durch Brand zerstörten
Chorfenster der Magdalenenkirche zu Straßburg und der
Stifterscheibe im Salzburger Klannerfenster, das auch
noch die gleichen Pfeilersockel aufweist; alles Arbeiten
von 1480.
Das vorne offene und auf der Brust durch eine
goldene Spange zusammengehaltene Hemdchen des Jesus
kindes ist in den Jessebildern des Ulmer Kramerfensters
vorhanden, und das Kind selbst ist nach Haltung und
Kopftypus eine wenig variierte Wiederholung des Christ
kindes der Straßburger Fenster. Auch der Kopf der
Mutter Gottes ist ohneweiters als Wildsche Arbeit zu er
kennen, die Krone, sowie namentlich die Schattierung der
Augenpartei sind durchaus in des Meisters Art.
Bei der Gleichmäßigkeit des Stils ist eine engere
Datierung der Werke innerhalb der durch datierte Stücke
von 1471 und 1499 begrenzten Tätigkeit Hans Wilds
nicht möglich.
Chronik.
Autographen.
(Walt Whitman -Manuskripte außer Kurs.)
Aus London wird uns berichtet: Bei Sotheby gab es
in der verflossenen Woche eine Ueberraschung: eine ganze
Reihe von Manuskripten Walt Whitmans kamen zur Ver
steigerung und erzielten ganz unerwartet bescheidene Preise;
insgesamt nur 330 Mark. Das Ergebnis ist um so überraschender,
als der berühmte Sänger der amerikanischen Demokratie nur
sehr wenig Manuskripte hinterlassen hat. Für die erste Fassung,
von Whitmans bekannter Rede über Lincoln, mit eigenhändigen
Korrekturen Whitmans, wurden nur 105 Mark bezahlt und ein
sehr charakteristischer Brief des Dichters an Bram Stoker aus
dem Jahre 1876 erzielte 100 Mark. »Meine Körperbeschaffen
heit,« so schreibt hier Whitman mit einer Mischung von Pathos
und Humor, »ist völlig erschüttert, wahrscheinlich auf immer,
durch Paralyse und andere Beschwerden. Aber ich bin auf und
angezogen und gehe jeden Tag ein wenig aus.«
Bibliophilie.
(Ein Millionengeschenk für die Pariser
Universitätsbibliothek.) Wie der Vizerektor der
Pariser Universität, Louis L i a r d, in der letzten Senats-
sitzung mitteilte, ist der Pariser Universitätsbibliothek von einer
»bekannten Persönlichkeit, die sich im Besitze einer wert
vollen und kostbaren Bibliothek befindet«, eine Büchersamm-
lung zum Geschenke gemacht worden, deren Schätzungswert
mehrere Millionen beträgt. Auf Wunsch des Schenkers hatte
Liard den Namen verschwiegen, doch jeder der Anwesenden
wußte, daß mit der »bekannten Persönlichkeit« der Archäologe
Doucet gemeint sei, der unvergleichliche Bücherschätze
künstlerischen wie wissenschaftlichen, vor allem archäologi
schen Inhalts besitzt. Man hat nun beschlossen, diese Biblio
thek, die Doucet noch so lange bei sich zu behalten wünscht,
bis er noch einige Lücken des Bücherbestandes ausgefüllt hat,
in dem Neubau der Universitätsbibliothek in der Rue Pierre-
Curie aufzustellen und das Andenken Doucets dadurch zu
ehren, daß man seine von Kiinstlerhand geschaffene Büste in
mitten der von ihm geschenkten Bücher errichtet.
Bilder.
(Ein Holbein in England entdeckt.) Die
»Times« melden, daß der höchst interessanten Versteigerung
der kompletten Wand- und Deckentäfelung der »Hall« im
Tudorschlosse Rotherwas eine bedeutsame Entdeckung auf dem
Fuß gefolgt ist. Eines der wenigen Bilder, die in die Täfelung
eingelassen waren, wurde im April als der alten englischen
Schule entstammend an einen Mr. Buttery um 340 Guineen
(8500 K) verkauft. Im Katalog war es als Porträt der Königin
Maria Stuart bezeichnet. Das Kostüm bestand aus einem
schwarzen Kleid mit geschlitzten Aermeln, gesticktem Kragen
und ebensolchen Manschetten, einem edelsteinbesetzten An
hänger. In der Hand, hielt die Dame ein Buch und auf dem
Aermel war in der Schrift, wie sie vor hundert Jahren üblich
war, eingezeichnet: »Margarete Tudor, Königin der Schotten.«
Bei der Reinigung des Bildes verschwand nicht nur diese In
schrift, sondern auch der dicke kupferfarbene Firniß, mit dem
es vor ein paar Jahrhunderten bedeckt wurde. Seitdem haben
es mehrere Sachverständige, unter ihnen Dr. Friedländer
in Berlin, Sir Walter Armstrong und der Oxforder Pro
fessor Bell gesehen und einstimmig für einen ganz herrlichen
H o 1 b e i n aus dem Jahre 1527 erklärt. In der Familie Boden-
ham wurde das Bild der Ueberlieferung gemäß für ein Porträt
der Königin Margarete Tudor von Schottland, die von 1489 bis
1541 gelebt hat, gehalten.
(Angebliche Auffindung eines T i n t o r e 11 o
i n K r a i n.) Wie Wiener Blätter melden, ist in der Kapitel
kirche zu Rudolfs wert (Krain) ein Gemälde von T i n-
t o r e 11 o aufgefunden worden. Es scheint sich aber um ein
Bild des Meisters zu handeln, das bereits seit dem 17. Jahr
hundert bekannt ist. Schon V a 1 v a s o r weiß davon zu be
richten. In seinem vierbändigen Werke »Die Ehre des Herzog
tums Krain«, 1689 (III. Band, XI. Buch, Seite 485), heißt es
nämlich: »Die Collegiatkriche (zu Rudolfswert) hat lauter neue
Altäre, so ehelängst nach denen prächtigsten Bauregeln von
Herrn Grafen von Thum, Frohsten, aufgeführt, ist das Gemahl
(Gemälde) des heil. Bischofs Nicolai groß und unvergleich
lich von dem Pinsel des berühmten Künstlers T i n t o r e t eines
unschätzbaren Werths zu sehen.« Aber auch in der neueren
Literatur findet man das Kunstwerk Tintorettos wiederholt er
wähnt, so bei P. v. Radies, dem verdienstvollsten, leider
bereits verstorbenen Valvasorforscher (J. W. Freiherr von Val-
vasor von P. von Radies, Laibach 1910), welcher ausdrücklich
bemerkt, »daß der kunstsinnige Vorstand des Domkapitels, in-
fulierter Propst Dr. E 1 b e r t, dem Tintoretto besondere Sorg
falt bewährt.« Eine Spezialstudic über das genannte Kunstwerk
ist, aus der Feder des Professors Hugo S k o p a 1 stammend, im
Jahresberichte 1901 des Obergymnasiums zu Rudolfswert, er
schienen