Nr. 1
Internationale Sammler- Zeitung
Seite 3
Lebens, die keine kunsthistorischen Kollegien hinter
sich haben.
Das. Buch bringt außer vier Blättern, die den
Wiener Städtischen Sammlungen, dann bekannten
Wiener Privatsamml ungen entnommen sind, aus
schließlich Reproduktionen von Plakaten aus der
Sammlung des Verfassers. Einige Farbentafeln sind
auch von österreichischen ersten Kunstanstalten her-
gestellt, die seinerzeit die Originalplakate ausgeführt
hatten, eine Anordnung des Verfassers, die nur zu
billigen ist, da ja die Güte eines Plakates nicht nur
von dem entwerfenden Künstler, sondern auch von
der den Druck besorgenden Kunstanstalt abhängt.
Als ein wahres Meisterwerk in dieser Richtung er
scheint die von sieben Steinen hergestellte Repro
duktion des Makart sehen Kunstausstellungsplakats
1882 durch die Druckerei- und Verlagsaktiengesell
schaft vormals R. von Waldheim, Jos. Eberle & Co.
historiker, dann, daß er nicht in den Streit der künst
lerischen Parteien der Gegenwart herabgestiegen ist
und der nahe gewesenen Versuchung nicht unterlegen
ist, diese oder jene Künstlerindividualität durch un
freundliche Kritik in ihrem ernsten Streben zu ver
kennen und zu entmutigen, geschweige denn durch
Stillschweigen unterdrücken zu wollen. Blätter der
allerneuesten, vielfach schon angefeindeten Observanz
sind auch reproduziert, wenn auch gegen gewisse Aus
wüchse dieser Richtung schon scharf Stellung ge
nommen wird. Auch den nichtdeutschen Nationalitäten
der Donaumonarchie hat der Verfasser volle Würdigung
geschenkt. Ein besonderes Verdienst um sein öster
reichisches Vaterland aber hat er sich dadurch erworben,
daß er zahlreiche österreichische Künstler, die, nach
dem sie hier geboren und als Schüler österreichischer
Künstler an österreichischen Kunstschulen ausgebildet
worden sind, später nach Deutschland, Frankreich,
Fig. 3.
Alfred Roller, „Slevogtausstellung“. Druck J. Eberle
& Co., Wien.
Fig. 4.
Köloman Moser, Frommes Kalender.
Druck von Albert Berger, Wien.
in Wien als Titelbild. Da diese Kunstanstalt kein
einziges Exemplar dieses eigenen Plakats aufbewahrt
hatte, mußte die Reproduktion nach dem in der
Sammlung des Verfassers liegenden Unikum besorgt
werden. Wie der Verfasser zu diesem heute so wert
vollen Unikum gekommen ist, haben wir in der „Inter
nationalen Sammler-Zeitung“ Jahrgang 1915, Nr. 3
erzählt.
In chronologischer Reihenfolge behandelt das Buch
die ältesten, heute noch erhaltenen Plakate Vom
Jahre 1818 an, dann die Zeit des wiedererwachten
Holzschnittes zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die
Periode der allgemein herrschenden Chromolitho
graphie, dann die wiedererwachte deutsche Renaissance
aus den Jahren 1870 bis 1880, den wuchtigen Ein
schlag der Sezession mit Klimt, Moser, Roller und
Bertold Löffler, die von Rudolf Von Larisch
durchgesetzte Reform der Kunstschrift, endlich die
neueste Zeit bis Kokoschka. Lobend zu registrieren
ist die strenge Objektivität des Verfassers als Kunst-
der Schweiz ausgewandert sind und dermalen im Aus
lande leben, für ihr altes Vaterland revindiziert hat,
nachdem sie allgemein schon als ausländische Künstler
betrachtet worden sind. Daß auf diese, dauernd im
Auslande lebenden Künstler das ausländische Milieu
nicht ohne Einfluß geblieben ist, läßt sich ebenso
wenig leugnen, wie die Tatsache, daß auch sie durch
ihr Wirken auf die ausländische Kunst befruchtend
gewirkt haben. Österreichische Künstler sind sie des
wegen aber doch geblieben; hiezu hat cs wohl genügt,
auf die nackte Tatsache ihrer Abstammung hinzu
weisen.
So ist dieses Buch eines österreichischen Sammlers
—■ trotz der zahllosen großen Hindernisse, die sich
durch den Kriegsausbruch der Herausgabe entgegen
gestellt hatten — zu einem wichtigen Beitrag für die
heimische Kunstforschung, Kunst- und Kultur
geschichte geworden, ein neuer Beweis dafür, wie
viel die Kunstwissenschaft gerade der stillen
Tätigkeit emsiger Privatsammler zu ver-