Internationale
Sammlepgßifutiß
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich ,
23. Jahrgang Wien, 15. Mai 1931 Nr. 10
Die Frühjahr'Sanktionen bei G. S. JSoerner.
Man schreibt uns aus Leipzig:
Bei der maßgebenden Rolle, die die Boerner-
schen. Auktionen auf dem Gebiete des Marktes alter
Kupferstiche und Handzeichnungen spielten, sind die
Ergebnisse der Versteigerungen, die 'vom 27, bis
29, April bei C. G. Boemer stattfanden, von
höchstem Interesse, zumal heute, wo die schwere
wirtschaftliche Lage den Kunstmarkt in weitem. Um
fange zerrüttet hat und. die Beurteilung von Wert
und Verkaufsmöglichkeit unsicherer ist, denn je. Die
Versteigerungen waren um so aufschlußreicher, als
sie sich über das ganze Gebiet dieser Kunst er
streckten: Kupferstiche alter Meister, Kupferstiche
des 18, Jahrhunderts, Graphik des 19, Jahrhunderis,
Zeichnungen alter Meister und Zeichnungen des
19. Jahrhunderts. Alles dies in gewählten Spezial
sammlungen.
Das Resultat ist ziemlich eindeutig. Die Ver
sammlung aller maßgebenden Händler, vieler Direk
toren und einiger Privatsammler des In- und Aus
landes, in der wenige bekannte Köpfe fehlten, hätte
zunächst einen Verkauf in gewohnter Form erwar
ten lassen. Es stellte sich aber zunächst als beson
ders markant die Schwächung der Kaufkraft des
Handels heraus, der besonders in den Kupferstich-
Auktionen ja naturgemäß einen beträchtlichen Teil
der Ware für eigene Rechnung übernehmen muß,
Die Privatsammler, die erschienen waren, erwiesen
sich eigentlich als unverändert kaufkräftig. Die
deutschen Museen wirkten in bescheidenem Maße,
mit rühmlicher Ausnahme des Berliner Kabinetts,
dessen Direktor, Dr. Bock, ein besonders wichtiges
frühes deutsches Unikum, ein Clair-Obscur von
Wechtlin gegen amerikanische Konkurrenz erwer
ben konnte. Eine besonders starke Kaufkraft stell
ten diesmal die amerikanischen Museen dar, die fast
alle die seltenen, frühen Inkunabeln des 15, Jahr
hunderts aufnahmen.
Auf dem Gebiete der Handzeichnungen
liegt die ganze Situation dadurch anders, daß hier
große, besonders ausländische Privatsammler mit
direkten Aufträgen hinter dem Handel stehen und
daß in diesen besonderen Fällen die Eremitage in
Petersburg so ungewöhnlich schöne Blätter hergege
ben hatte, daß bei der großen Seltenheit guter alter
Zeichnungen die Interessenten auf alle Fälle zu
greifen mußten.
Der Verlauf der Auktionen selbst ergab darnach
folgendes Bild: Die erlesene Dürer-Sammlung,
deren Stiche dem Hausmann-Blasius sehen
Werke entstammen, während die Holzschnitte eine
andere bekannte deutsche Sammlung beigetragen
hatte, verkaufte sich fast restlos, eine folge des
weitverbreiteten Rufes beider Sammlungen, Die
Preise lagen aber wohl mindestens ein Drittel unter
den großen und zum Teil vielleicht übertriebenen
Preisen, die dieselben Sammlungen vor zwei Jahren
erbracht hätten, ein Vorgang, den ja wohl niemand
heute anders erwartet. Immerhin erbrachten aber
auch hier einzelne besonders schöne Dinge unerwar
tete Summen, So verkaufte sich zum Beispiel ein
Marienleben für 21,000 Mark, wovon bei Boerner
ein entsprechendes Exemplar im Jahre 1927 in der
sensationellen Versteigerung von Hägens für 10.000
Mark wegging. Ein Band mit den drei großen Holz
schnittfolgen Dürers in mäßiger Qualität der Ab
drucke brachte 10.000 Mk, die große Passion Dürers
in Probedrucken 16.500 Mark usw.
Auf die umfängliche Kupferstich-Samm
lung aus verschiedenen Besitzen, deren
Versteigerung sich anschloß, wirkte sich die schwie
rige Marktlage viel intensiver aus. Hier mußte
manches kostbare Blatt zurückgezogen werden und
es erwies sich der Verkauf gewisser mittlerer Quali
täten als sehr schwer und lückenhaft, dagegen blieb
von den großen Raritäten dieser Sammlung kaum
ein Blatt unter den großen Preiserwartungen, Einer
besonderen Beliebtheit erfreuten sich feine Holz
schnitte und jedes wirklich ungewöhnliche Blatt
wurde verkauft. Daß das Dürer-Werk dieses Kata-
loges nach der eben vorhergegangenen Versteige
rung des überlegenen großen Hausmannschen Dürer-
Werkes stark beeinträchtigt wurde, lag auf der
Hand.
Auf dem Gebiete der englischen und
französischen F a r b e n d r u c k e des
1 8. J a h r h undert s machte sich die mangelnde
Kaufkraft besonders bemerkbar. Es war dies der
schwächste Teil der Versteigerung, wobei allerdings
zugegeben werden muß, daß mit Ausnahme weniger
erstklassiger Spitzen, die zum Teil auch teuer be
zahlt wurden, diese Ware durchschnittlich etwas
gleichgültig war. Die kleinsten Werte der Sammlung
fanden übrigens, wie immer, ihre Gelegenheitskäufer,
Ein ganz anderes Bild ergab die Versteigerung
der L e n i n g r a d e r Zeichnungen, Hier zeigte
sich plötzlich die stärkste Konkurrenz einer ganzen
Anzahl der kaufkräftigsten Interessenten. Hier hatte
die Firma Boerner zahlreiche sehr hohe Kaufauf
träge in der Hand und hier tauchte zur allgemeinen