denn auch der kunstgewerbliche Arbeiter des Orients beherrschte die Schrift
nicht immer genügend, um sie manchmal nicht geradezu sinnlos werden zu
lassen. Allerdings wird der Orientale immer einen gewissen orientalischen
Zug der Schrift bewahren, während er in manchen - dann wohl sicher
italienischen - Stoffen geradezu an Gotisches anklingt. jedenfalls muß sich
aber das, in diesen „sarazenischen" Stoffen besonders kenntlicbe, Streben
nach größerer Leichtigkeit und Zierlichkeit,
das die Aufnahme und Verarbeitung stär-
kerer chinesischer Einflüsse eben erst er-
möglichte, über weitere Gebiete des Orients
erstreckt haben; wir können es auch schon
zum Beispiel in den inschriftlich oder sonst
gesicherten sizilischen Arbeiten des XII.
Jahrhunderts bemerken.
In die zweite Hälfte des XII. jahrhun-
derts und nach Süditalien oder Sizilien
wurde bisher übrigens auch immer ein
Hauptstück der Ausstellung, der sogenannte
Kaisermantel aus Bamberg, versetzt, der
auch schon diese zierlichere Anordnung
zeigt; neuerdings nimmt ihn ein Forscher
allerdings für Mitteleuropa und schon frü-
here Zeit in Anspruch. Wir können uns
auf diese Frage hier nicht einlassen, da die
Veröffentlichung dieses Forschers erst be-
vorsteht und seine Anschauungen jedenfalls
auf ernste Erwägung Anspruch zu machen
haben. Daß dieser Mantel aber ohne Zusam-
menhang mit orientalischer Kunst unerklär-
lich wäre, bleibt wohl bei jeder Ansicht be-
stehen."
Auf die Abbildung sogenannter sara-
zenisch-italienischer Stoffe, von denen viele
Abb. 6. Samtbrokat, türkisch,
hervorragende Proben auf der Ausstellung XVLbis xvn. JahrhunderMKeIekian, Paris)
zu sehen waren, können wir hier verzichten,
da sie in allen größeren Stoffsammlungen in wenigstens einigen Beispielen
vorhanden sind; jedoch wollen wir noch einmal darauf hinweisen, daß sich
bei manchen dieser Stoffe offenbar schon europäischer Geist bemerkbar
" Nur das Eine wollen wir noch erwähnen, daß dieser Mantel, dessen Ornament bisher immer als Stickerei
angesehen und auch von Bock nach dieser Richtung genau untersucht worden ist, neuerdings von einem
Webetechniker als Weberei erklärt wurde. Wir konnten dieser Frage, die uns übrigens erst nach unserer
Abreise von München bekannt wurde, nicht nachgehen; doch glauben wir, uns bestimmt des Eindruckes der
Stiche zu erinnern, und halten die Möglichkeit einer Weberei schon durch die ungleiche Wiederholung der
Rapporte, die sozusagen um ihre Achse gedreht erscheinen, fast für ausgeschlossen. Gewiß können technische
Errungenschaften wieder verloren gehen; aber ein solches Verdrehen des Rapports verstieße doch gegen das
Wesen der Weberei. Übrigens werden wir hierauf an anderer Stelle zurückkommen müssen.