der griechischen Ranke zu entdecken. In der griechischen Kunst ist aber
die Ranke von Anbeginn in einer für alle folgenden Zeiten typischen
Gestalt vorhanden: Zu Mykenä treffen wir schon in den Schachtgräbern
die fortlaufende sowie die intermittirende Wellenranke, d. i. die zwei in
der orientalischen Teppichornamentik weitaus am häufigsten wiederkeh-
renden Bordürenmotive. In hellenistischer Zeit überzieht die Ranke in
freiem Schwunge, aber in regelmäßigem Zusammenschlusse bereits ganze
Flächen; genau dasselbe, was das Charakteristische der persischen Teppich-
Rankenornamentik ausmacht.
Das hieraus folgende Ergebniss ist ein so zwingendes, dass nur
derjenige es negiren kann, der entweder annimmt, dass in der alt-
orientalischen Zeit die anderweitig nicht nachweisbare Rankenornamentik
an den in Denkmälern nicht erhaltenen Teppichen dennoch im Ge-
brauch gewesen istg, für welche Annahme sich nicht einmal technisch-
materielle Gründe in's Feld führen lassen, oder der glaubt, dass die Inspi-
rationen des Islam oder die Berührung der Syrer, Aegypter, Perser u. s. w.
mit den Arabern im Mittelalter diese Ornamentik gleichmäßig überall im
ganzen Orient aus dem Nichts hervorgerufen haben. Wer sich aber von
den herrschenden Vorurtheilen freizumachen weiß und den für andere
Gebiete menschlichen SchaEens widerspruchslos geltenden Satz, dass die
schwächere Cultur vor der stärkeren zurückweichen muss und ein jedes
Volk auf den Schultern eines andern emporsteigt, auch für die Geschichte
des Kunstschaßens gelten lässt, der wird nicht einen Augenblick länger
zweifeln können, dass die Rankenornamentik der orientalischen Teppiche
in der hellenistischen Zeit, der Zeit des Culturaustausches und Cultur-
ausgleiches zwischen Orient und Occident, im Osten ihren Einzug ge-
halten hat. Von einzelnen Motiven lässt es sich heute schon beweisen,
und eine gründlichere Erforschung der bezüglichen Denkmäler wird es
zur durchgängigen Evidenz erhärten, dass die orientalische Kunst der
römischen Kaiserzeit und des frühesten Mittelalters unmittelbar mit der
hellenistischen, und zum weitaus geringeren Grade mit der römischen zu-
sammenhängt, was übrigens schon vor nahezu dreißig Jahren der scharf-
sichtige Marquis de Vogüe auf Grund seiner Untersuchungen über die
centralsyrischen und ierusalemitanischen Denkmäler klar eingesehen und
ausgesprochen hat. Das Gleiche gilt ja fast in demselben Ausmaße auch
von der byzantinischen Kunst, die man heute noch immer mit ewig un-
fruchtbarer Consequenz auf einen Isolirschemel stellt, als ein in sich ab-
geschlossenes fertiges Product betrachtet, anstatt die Frage darauf zu
Fichten: was ist an der byzantinischen Kunst römisch, was local-helle-
nistisch, was Neubildung etwa vom 5. Jahrhundert ab?
Die an den orientalischen Teppichen zur Verwendung gebrachte
Ranke wäre somit im letzten Grunde griechischen Ursprungs. Lässt sich
aber die Ranke nicht auch außerhalb des geschlossenen Kreises der
Mittelmeerkunst nachweisen? ln der That begegnen wir ihr auch innerhalb