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wieder gehoben. Dank einer geläuterten, besseren Geschmacksrichtung,
die sich in vielen Kreisen der Gesellschaft Bahn gebrochen hat, ist so-
wohl für Herstellung von kunstreich geklöppelten Spitzen, als auch für
Spitzen in Nadelarbeiten in den zwei letzten Jahrzehnten von Industriellen
in Frankreich, England und Deutschland Anerkennungswerthes geleistet
worden. Die letzten grossen Weltausstellungen in Paris, London und
Wien lieferten in den zahlreich eingesendeten Concurrenzarbeiten den
schlagenden Beweis, dass man in Frankreich, Deutschland, Belgien und
sogar in Russland, wieder anknüpfend an die Traditionen der alten In-
dustrie-Kreise, mit Eifer und Entschiedenheit abermals bestrebt ist, der
Spitzenfabrication ihren ehemaligen Rang unter den industriellen Künsten
zu vindiciren und der leeren und unsoliden Massenproduction von meist
baumwollenen Fabrikspitzen erfolgreiche Concurrenz entgegen zu stellen.
ln Belgien sind es besonders die Spitzen-lndustrieschulen von Brüssel,
Mecheln, Gent, Brügge und Ypern, die mit grossem Erfolge die schönsten
Pruductionen der Spitzenindustrie früherer Jahrhunderte wieder zu Tage
fördern. Auf dem grossen Weltmarkt finden diese belgischen Erzeugnisse
der freien Hand allgemeine Anerkennung und zahlreiche Käufer. Auch
in Frankreich ist man in den alten lndustrie-Districten mit Aufbietung
aller Kräfte bestrebt, den ehemaligen französischen Vorrang auf dern Ge-
biete der Spitzenfabrication den Industriellen Englands und Belgiens
gegenüber, dauernd wieder zu erringen. Namentlich werden zu Mire-
court, Caen, Bayeux, Chantilly, le Puy und überhaupt in der Auvergne,
welche heute mehr als 100.000 Spitzenwirkerinnen beschäftigt, Kunst-
werke mit der Nadel und auf dem Kissen neu hervorgebracht, welche mit
den schönsten Leistungen früherer Jahrhunderte von Aleneon, Venedig und
Genua abermals kühn in die Schranken treten können '). Auch England
und Irland, insbesondere aber Deutschland ist bei dieser allgemeinen
Concurrenz, die Spitzenindustrie von dem Druck des Webstuhls zu- be-
freien und dieselbe zu ihrer früheren Bedeutung wieder zu erheben, nicht
zurückgeblieben. ,
Erfreulich ist es wahrzunehmen, wie namentlich auch in Sachsen
und Böhmen die Spitzenindustrie nach tiefem Verfall in den letzten Jahr-
zehnten, neu verjüngt, zu schönerem Schaffen sich wieder emporgerichtet
hat. Zu diesem Aufschwung der Spitzenfabrication im sächsischen Erz-
gebirge trugen nicht wenig bei die vielen daselbst durch Staatsmittel in
jüngster Zeit gegründeten Klöppelschulen. Einem uns in Druck vorliee
genden Berichte des Klöppelschul-lnspectors Richter in Schwarzenberg
zufolge zählt Sachsen gegenwärtig mehr als 20.000 Spitzenklöpplerinnen
und ist der Gesammtwerth der sächsischen Spitzenfabricate in den letzten
Jahren durchschnittlich zu 1"], Millionen Thaler jährlich anzuschlagen.
') Vg). über die Entwickelung der Spitzenfabricalion i
Jury international 1867.
Frankreich: Rapport du