MAK
Nr. 11 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Seite 165 
Die schönsten und wertvollsten Spitzen, die unnach 
ahmlich und unersetzlich geworden sind, entstanden in 
Klöstern und dienten ursprünglich kirchlichen Zwecken. 
Noch heute besitzt der Papst den reichsten Schatz 
davon, um den Königinnen und Damen der Welt den Ge 
fangenen im Vatikan beneiden könnten. In Wand 
schränken eines großen, hohen Raumes verwahrt, werden 
sie bei großen Festen herausgenommen, um Priesterge- 
wänder und Altardecken zu schmücken. Für verständnis 
volle Menschen ist es ein trauriger Anblick, zu sehen, wie 
der Pater, der diesp Schätze hütet, mit dicken, wohl 
meinenden Fingern in die zarten, duftigen Dinge greift. 
Männern, die solch feiner, leicht zerstörbarer Schönheit 
lieblos gegenüberstehen, sind diese unvergleichlichen 
i zum Gottesdienst getragen wurden. Zürn Schmuck der 
Gewänder für vornehme Männer und Frauen ver 
wendete sie zuerst das prachtliebende Venedig. Der be 
rühmteste und künstlerisch bedeutendste Vorzeichner 
der Muster war ein gewisser V i n c i o 1 o, den 
Katharina von Medici am Ende des 16. Jahr 
hunderts in ihren ausschließlichen Dienst nahm. 
Als die Mode eingeführt wurde, liebte man, Gold- 
und Silberspitzen zu verwenden, erst später wurden die 
Kragen aus der herrlichen, weißen Spitze am höchsten 
geschätzt, deren Ornamente, an Muscheln und 
Muschelchen und zarten Meerschaum gemahnend, leicht 
ihren Ursprung aus der Meerstadt Venedig erkennen 
lassen. Als der Spitzenschmuck für die Tracht am Hof, in 
risr. 8. Cosway, Kosciusko, aui dem Sofa liegend. 
Gebilde übergeben und dadurch dem sicheren Verderben 
geweiht. Gewaschen und gestärkt sehen sie kläglich und 
mißhandelt aus, wenn sie den wohlverschlossenen 
Schrein verlassen. Auf solche Weise behandelt, sind schon 
unzählige Meisterwerke zugrunde gegangen, und man 
findet manchmal auf dem Campo di fiori, dem römischen 
Tandelrnarkt, ein Stückchen, das, zerrissen und ver 
dorben, aus einem Kirchengut ausrangiert wurde. 
In den Museen der verschiedenen Länder sind 
Spitzensammlungen von großem kulturhistorischen Inter 
esse; einige reichen bis ins 13. und 1 14. Jahrhundert 
zurück. Am höchsten entwickelte sich aber die Spitzen 
industrie im 16., 17. und 18. Jahrhundert, dem steigenden 
Luxus in der Mode entsprechend. Die Herstellung der 
Spitzen reicht bis in das graue Altertum zurück. Sie 
wurden wohl zuerst in Aegypten gemacht, wo die Juden 
vermutlich ihren Gebrauch und ihre Technik kennen 
lernten. Wir wissen aus der Bibel, daß sich im Tempel 
zu Jerusalem zehn Vorhänge aus feinen, mit der Hand 
ineinander geknoteten Leinwandfäden befanden, ein 
Werk des Begahel, Sohn des Uri. Die Juden brachten 
durch ihren Handel Spitzenwaren in alle reichen Küsten 
städte. 
Zu einem bedeutenden Industriezweig entfaltete sich 
aber die Kunst, Spitzen herzustellen, erst im Mittelalter, 
wo die feinen Leinengewebe anfangs allein von Priestern 
vornehmen Fdelsitzen und reichen Patrizierhäusern un 
erläßlich wurde, und die Mode sich immer verschwen 
derischer in der Anwendung dieser Kostbarkeiten zeigte, 
wurde der Luxus nach und nach, namentlich in Frank 
reich, zu einer finanziellen Kalamität, da man die köst 
lichsten und gesuchtesten Arten vom Ausland bezog. 
Während zweier Jahrhunderte wurden ab und zu ohne 
Ergebnis Luxusedikte gegen den Gebrauch der Spitzen 
erlassen. Das Land war arm, ausgesogen und steuer 
gedrückt, so daß man es für unmenschlich und sündhaft 
hielt, hohe Summen für unnütze Dinge an flämische und 
italienische Kaufleute zu bezahlen. Doch die Leidenschaft 
der hohen Stände für den kostbaren, modernen Zierat 
steigerte sich ungeheuer und verleitete sogar Heinrich IV. 
von Frankreich, trotzdem er sich in zwei strengen Ge 
setzen dagegen aussprach, im Schloß von Blois, mit herr 
licher, neuer Goldspitze angetan, zu erscheinen, die ein 
ganzes Vermögen kostete. 
Obwohl das Tragen ausländischer Spitzen unter An 
drohung körperlicher Strafe verpönt war, gebot es 
Frau Mode dennoch, in den Zeiten Ludwigs XIII., daß die 
Herren Hemden und »cols rebattus« aus edelster Spitze 
trugen, und sogar die Stulpen der Stiefel mit solch zarten 
Gebilden schmückten. Zwischen dem Bein und dem 
Ledersticfcl blieb Raum für eine gefaltete Spitze, deren 
Enden in reicher Krause nach vorne fielen. Zu der Hof-
	        
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