Stils. So einfach auch häufig die Vorwürfe dieser Kunst sind, so sehr
sie auch dazu neigt, die menschliche Gestalt im omamentalen Sinn zu
verwerten, lässt sie doch nie das Ziel aus dem Auge, vor allem einen
bestimmten Empfindungsgehalt zum Ausdruck zu bringen. Ist dieser
Gehalt bei den am häufigsten vorkommenden Gegenständen, den Dar-
stellungen der Courtisanen und Schauspieler, auch meist gering und
einförmig, so gibt es daneben doch genug Bilder vornehmen Anstandes,
weiblicher Grazie, mütterlicher Zärtlichkeit, Ausserungen des
Schmerzes wie der ungestümen Lust, die durchaus dem Gebiete der
Seelenmalerei angehören, mögen auch von wirklich dramatischem
Leben erfüllte Scenen nur selten vorkommen.
Darauf aber ist freilich das Streben dieser Künstler stets gerichtet,
die Klippe des Naturalismus zu vermeiden, an der die Darstellung des
Menschen so leicht scheitert. Dass bei ihnen gerade der Körper- wie
der Schlagschatten fehlen, dass die Umrisse einen kalligraphischen
Zug erhalten, dass die Räumlichkeit entweder ganz fehlt oder nur
andeutend behandelt ist, ebenso wie auch die Farbe in ganz unrea-
listischem Sinne verwendet wird: das alles sind Eigenthümlichkeiten,
die gerade der ostasiatischen Kunst eigen sind. Man kann in der
Durchführung nach allen diesen Richtungen hin viel weiter gehen,
ohne irgend befürchten zu müssen, die Illusion, die man zu erzeugen
beabsichtigt, zu zerstören. Dagegen bilden der Verzicht auf die
Wiedergabe des Ausdrucks im Gesicht, die I-Iinwegsetzung über
die Regeln des perspectivischen Sehens, das Abstrahiren von dem
Streben nach täuschender Nachahmung der Licht- und Lufterschei-
nungen überhaupt die Grundbedingungen für eine wahrhaft monu-
mentale, also unrealistische Kunst.
Sieht sich der Künstler auf solche Weise von dem Zwange befreit,
den das Streben nach einer Nachahmung der Natur auf ihn ausübt, so
kann er Typen und Verhältnisse wählen, wie sie ihm für seine Absichten
passen, kann seine Gestalten in Form und Farbe dem Compositions-
princip unterordnen, das er gewählt hat, kann die Art des Zeichnens
und Färbens anwenden, die seinem Geschmacke entspricht. Dann ver-
leiht er selbst dem Kunstwerk die Einheitlichkeit, statt solche in der
Natur suchen zu müssen, wo sie ihm bestenfalls doch nur bruch-
stückweise zugänglich ist.
WAS KÖNNEN WIR VON DEN JAPANERN LERNEN?
Ängstliche Gemüther werden rufen, es sei doch gar zu gefährlich,
unseren Künstlern eine Kunst anzupreisen, die als ein innerlich uns
ganz fremdes Element vermöge gewisser bestrickender Eigenschaften