Ganz köstlich ist das Bildnis des alten Beichtvaters, den die
Geheimnisse der jungen Frau, die er kraft seines Amtes anhören
muss, sichtlich erheitern (Seite 296). So geleiten Humor und Satyre
Alfred Rethel durchs Leben. Manchen Augenblick mögen ihm diese
beiden das Dasein, das er so furchtbar ernst auffasste, erheitext
haben. Uns Fügen diese kaum bekannten Skizzen, von denen hier nur
einige wenige als Beispiel gegeben werden konnten, einen neuen Zug
zu seinem Charakter-bilde.
ÄSTHETISCHE URTHEILE UND KUNST-
GESCHICHTLICHE WURDIGUNGSW VON
TH. VOLBEHR-MAGDEBURGSW
EIT einiger Zeit beginnt man auch die
Frage des künstlerischen Geschmackes
unter die naturwissenschaftliche Lupe zu
nehmen. Man fängt langsam an einzu-
sehen, dass auch die Begriffe des Schönen
wandelbar sind, dass auch die Ansichten
über „schön" und „hässlich" werden,
wachsen und vergehen wie die Menschen,
die für sie kämpfen.
Aber man kann oder will der ästhe-
tisch-formalistischen Methode bei der
Erörterung solcher Dinge noch immer nicht den Laufpass geben, und
erschwert dadurch das Verständnis dieser einfachen Fragen und
Antworten allen denen, die an philosophische Deductionen nicht
gewöhnt sind.
Wäre es nicht vielleicht angebracht, der vielerfahrenen Natur-
Wissenschaft auch noch in der Art der Behandlung wissenschaftlicher
Probleme Gefolgschaft zu leisten? Oder fürchtet man wirklich, es
könne das Ansehen der kunstwissenschaftlichen Disciplinen leiden,
wenn man sie in eine engere Beziehung zu den empirischen Wissen-
schaften bringt?
Vielleicht ist es nicht uninteressant, wenigstens einen Versuch in
dieser Beziehung zu machen und die Frage nach dem Werte des
ästhetischen Urtheils empirisch zu behandeln; es mag sich dann
leichter beurtheilen lassen, ob die Richtung des eingeschlagenen Weges