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Volltext: Monatszeitschrift III (1900 / Heft 4)

von Bordeaux eine Arbeit Odiots zu sein, der die Prudhon'schen Entwürfe 
für die neue Bestellung, ohne viel nachzudenken, nochmals verwendete. 
War nun Odiot der hervorragendste Goldschmied der Empirezeit und 
für die kaiserliche Familie mit grossen Arbeiten beschäftigt, so hat er 
doch dem Stile, in dem er so kostbare Werke schuf, noch selbst den Rücken 
gekehrt und auch für die königliche Familie, die den Thron ihrer Väter nach 
einiger Unterbrechung wieder bestiegen hatte, gearbeitet. Das beweisen 
uns vier gleiche Salzfässer, die sich im Privatbesitze des Herrn Philipp 
Mauthner in Wien erhalten haben, von denen wir eines in Abbildung 
bringen, oHenbar die letzten Reste eines reichen Tafelservices. Wir sehen 
hier einen jähen Bruch mit allen Empiretraditionen, englischer Einfluss mit 
den damals herrschenden barocken Elementen, die Übertragung politischer 
Strömungen in die Kunst, macht sich geltend. 
Welch' üppige Ausladungen, Welch' reiche Profilirung im Gegensatze 
zu den strengen Linien des eben verlassenen Empirestiles, kaum dass die 
Löwentatzen als Füsse an die jüngst verflossene Zeit erinnern. Früchte des 
Meeres schmücken die Salzfässer, immerhin ein Beweis, dass damals noch 
das Ornament in eine gewisse geistige Verbindung mit dem geschmückten 
Gegenstande gebracht wurde. Das sollte bald anders werden. 
Die Salzfässer sowohl als die zur Aufnahme des Salzes in Vermeil her- 
gestellten Einsätze tragen ein gravirtes Doppelwappen, heraldisch rechts 
das königliche Wappen Frankreichs, links das königliche Wappen von 
Neapel (trotz kleinster Dimensionen sind alle 24 Quartiere erkennbar), über- 
höht von der Krone eines „enfant de France". Sie waren also Eigenthum des 
Charles Ferdinand Herzogs von Berri, der, seit 17. Juni 1816 mit einer 
neapolitanischen Prinzessin vermählt, am 13. Februar 1820 in Paris ermordet 
wurde. Die Feingehaltszeichen der Salzfässer sind die für die Jahre 181g bis 
1838 gebrauchten, die Stempelbureau-Marken sind die seit 1819 üblichen. 
Diese Salzfässer sind somit 1819 oder 1820 angefertigt worden und liefern 
uns den Beweis, dass gerade Odiot unter den ersten das sinkende Schiff 
des Empirestils verlassen hat. Sämmtliche Salzfasser und deren Einsätze sind 
mit dem vollen eingravirten Namen „Odiot" bezeichnet, überdies ist auch 
eine Meistermarke eingepresst, die Buchstaben].B. C. und 0., erstere mono- 
grammartig verschlungen in einem rhombenförmigen Schildchen, einiger- 
massen verschieden von der Meistermarke Odiots bei Rosenberg Nr. 2006. 
Zur selben Zeit, als die Wiege des Herzogs von Bordeaux entsteht, 
arbeitet Odiot, wie wir sehen, für den Herzog von Berri. Der Gedanke, 
dass er auch die Wiege des Herzogs von Bordeaux gearbeitet habe, die 
mit seinen Silberreliefs geschmückt ist, liegt nahe. Der Goldschmied der 
verwitweten kunstfreundlichen Herzogin von Berri war Fauconnier, der 
berühmte Schüler Odiots. 
Die Salzfässer des Herzogs von Berri wurden von dem Grossvater 
des derzeitigen Eigners, einem Goldschmiede in Prag, aus dem Besitze 
Karl X., als er im Exile zu Prag weilte, erworben.
	        
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