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breiten Behandlung graphischer Darstellung. Ganz anders wieder ist Otto
Greiners Kunst; er ist der Meister der scharfen, bestimmten Zeichnung,
seine Actzeichnungen sind unübertroffen in der sicheren Modellirung, in der
freien, lebendigen Auffassung; seine Bildnisse der Frau Cosima Wagner und
Siegfried Wagners (Radirungen) sind fein und kraftvoll in der Charakteristik,
seine Ex-libris sind geistreich und wohl componirt. Für Georg Kolbe
bedeuten die Steindrucke Tod und Menschheit, Flucht, Kampf mit dem
Engel starke T alentproben und Anweisungen auf eine erfolgreiche Zukunft
in der Richtung der Phantasiekunst. Die zahlreichen Blätter Georg Jahns
zeigen, was sich ohne den Zusatz einer starken künstlerischen Persönlichkeit
auf dem Wege emsigsten, unermüdlichen Fleisses und sorgsamen Natur-
studiums in der Radirung erreichen lässt. Endlich sind von Dresdener
Künstlern noch Richard Müller und Georg Erler zu nennen.
Auch Berlin war mit gewichtigen Namen vertreten, als da sind: Adolph
Menzel, Max Liebermann, Karl Köpping, Ludwig von Hofmann, Leistikow,
Franz Skarbina, Käthe Kollwitz und Albert Krüger. Von Adolph Menzel
sahen wir eines seiner seltenen Aquarelle, eine Rüstung darstellend, von
Max Liebermann eine Farbenstudie zu seinem Bilde „Waisenmädchen in
Amsterdam", ein hervorragendes Zeugnis für Liebermanns Kunst, mit ganz
wenigen Strichen das Wesentliche und die volle Bildwirkung anzudeuten,
dazu ein halbes Dutzend Zeichnungen: schreitender Bauer, Eselreiten,
Dorfstrasse u. s. w. Seelische Werte sucht man bei Max Liebermann nicht;
sein Können und sein Ruf beruht auf seinem scharfen Auge für das
Charakteristische im Ausdrucke und in der Bewegung, in seinem zeichneri-
schen und malerischen Können. Wer mehr von der Kunst verlangt, innere
Andacht, seelenvolle Stimmung, monumentale niederzwingende Grösse, der
wird bei Liebermann nicht auf seine Kosten kommen. Seine einseitig äusser-
lieh virtuose Kunst als das Höchste zu bezeichnen und aus seinem Gesichts-
winkel die gesammte Kunst zu beurtheilen, wie dies in Berlin geschieht, ist
eine starke Überschätzung Liebermanns, mag er auch im dortigen Kunst-
leben eine Macht bedeuten und seinerzeit durch den Import des
Naturalismus segensreich gewirkt haben.
Die innere Wärme, die leidenschaftliche Seele, die in der Kunst nach
aussen drängt und im Beschauer gleich starke Empfindungen erregt, die
finden wir im Gegensatze zu Liebermann bei Käthe Kollwitz, wenn auch nur
in einer bestimmten Richtung ausgeprägt. Der „Tanz um die Guillotine"
zwischen hohen I-Iäusern in dunkler Strasse, und der „Bauernkrieg", ein
mit erhobenen Armen, geschwungenen Sensen und fliegenden Fahnen wild
und rachedurstig dahinrasender Haufe zeigen wieder die hervorragende
Kraft der Künstlerin, Volksbewegungen energischer Stimmung impressioni-
stisch wirksam zusammenzufassen. Der Racheengel in den Lüften ist
allerdings missglückt. Ihr Selbstbildnis, das von Energie und social wirkender
Kraft zeugt, und das schlafende Kind, das mit wahrhaft Holbeidscher Kraft
gezeichnet ist, zeigen übrigens, auf wie ernsten Studien Käthe Kollwitzens