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Ausstellung in Turin, Speisezimmer, entworfen von F. A. O. Krüger, Stuttgart, ausgeführt von den
„Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk", München
inneren Unwahrheit krankte, dass vollends die leitenden Ideen des Barock
- das Verleugnen der Zweckform, das uneingeschränkte Überwiegen des
Malerischen über das Architektonische, die Freude an Farbenkontrasten -
zu den Fundamentalgesetzen der Moderne - Wahrheit, Zweckmässig-
keit, Konstruktivität, Harmonie der Farbenstimmung - in schärfstem
Gegensatze stehen, liegt auf der Hand. Zur Überbrückung dieses Gegen-
satzes hat das italienische Kunstgewerbe in der hastigen Moderngestal-
tung, die es für die Turiner Ausstellung angestrebt hat, den gefährlichsten
Weg eingeschlagen. Es hat die bedeutsamen Grundgebote der Moderne
nahezu ausnahmslos links liegen lassen und nur diejenigen ihrer Neben-
qualitäten herausgegriffen, die den heimischen Geschmacksdispositionen
am nächsten lagen: die individuelle künstlerische Freiheit, ein Schlagwort,
das durch häufige missverständliche Deutung der vielverbreiteten Benennung
„Stile Liberty" noch verhängnisvollen Nachdruck erhielt; die Asymmetrie,
die man unorganisch und sinnwidrig auch da erzwang, wo Tektonik
und Zweck die Symmetrie erheischten; die dekorative Linie, die man für
berufen hielt, die struktiven Linien zu ersetzen; die moderne stilisierte Blume,
deren gewiss nicht zu leugnende, aber doch immerhin accessorische