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Volltext: Monatszeitschrift VIII (1905 / Heft 11)

schend. Über den ursprünglichen Standort des Ofens bestehen Vermutungen. 
Seine Herkunft aus der Stephanskirche stützt sich auf die Ansicht der ein- 
zelnen Museen und Sammler, die sämtlich diese Provenienz annehmen. 
Gewiß ist, daß die Kacheln zuerst im Jahre 1867 bei einem Tischler in 
Wien (Bezirk Landstraße) auftauchten und schon damals von der obge- 
nannten Herkunft gesprochen wurde. Die schönsten Stücke erwarb die 
Sammlung Adalbert Ritter von Lanna, welche die erste Hand hatte. Es 
folgten als Käufer von ganzen Serien das Nürnberger und das Öster- 
reichische Museum. Einzelne, bereits ins Ausland gewanderte Kacheln 
konnte die Sammlung Figdor in letzter Zeit zurückerwerben. 
In der Stephanskirche müßte der Standort des Ofens in der oberen 
Sakristei links neben dem Hochaltar, im 1466 aufgeführten, sogenannten 
Sagrer gewesen sein. Vermutlich lag er schon über 100 Jahre vor seiner 
Entfernung abgetragen auf dem Dachboden der Kirche. Im Archiv des 
Metropolitankapitels zu St. Stephan ist nichts hierüber zu finden. Fehlen nun 
auch die Belege für seinen ursprünglichen Standort, so ist doch hinsichtlich 
der Herkunft aus Wien ein Zweifel kaum zulässig. Das Wappen Neuöster- 
reichs auf der einen Eckkachel sowie ein weiter unten zu besprechendes, 
aus Sievering stammendes Relief mit den gleichen Farbenglasuren sprechen 
für lokale Erzeugung. Eine Einfuhr von auswärts ist nicht annehmbar, da, 
wie wir gehört haben, sich diese auf Gefäße beschränkte und Öfen in 
bestimmter Weise ausgeschlossen waren. Übrigens sind uns schriftliche 
Nachweise für eine künstlerische Betätigung der Wiener Werkstätten 
erhalten. So weist unter anderem eine Rechnung des Kammeramtes vom 
Jahre 1463 4 E 4 sh für den Hafnermeister Martin Preischuch aus, der für 
den Bürgermeister einen „Ofen mit grün glasaurten Kacheln mit pildwerch" 
zu machen hatte. (Wiener städtisches Archiv.) 
Der sogenannte St. Stephans-Ofen gehört noch dem Ausgange des 
XV.Jahrhunderts an und zählt somit zu den ältesten, in ihren Teilen erhaltenen 
bunten Öfen deutscher Länder. Für die Zeitbestimmung sind die Relief- 
darstellungen auf den einzelnen Kacheln, die auch älteren Beständen von 
Hohlformen angehören könnten, weniger maßgebend als die frei modellierten 
I-Ialbfiguren, die als Schildhalter die beiden Eckkacheln überragen. Es sind 
Frauen aus den besseren Ständen und in der Tracht des ausgehenden 
XV. Jahrhunderts. Das Kleid dieser Figuren zeigt die erste Form der Schlitze 
am Oberarm sowie am Ellbogen die völlige Trennung der Ärmel, die, eng 
bis über die Handwurzel mit einer deutlichen Erweiterung bis zum Ansatze 
der Finger reichen. Mit dieser Tracht des Oberkleides steht der, aus farbigen 
Tüchern hergestellte turbanartige Kopfbund in zeitlich vollkommener Über- 
einstimmung. Es ist das Kostüm der letzten Jahre vor I 500, wie es von den 
Wiener Frauen getragen wurde. 
Die beiden Wappen der Eckkacheln lassen eine Kombination hinsicht- 
lich der Umstände zu, welche die Anfertigung des Ofens veranlaßt haben 
könnten. Eine Kachel zeigt den doppelköpfigen Nimbus umgebenen Adler
	        
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