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in das praktische Leben ein. Dies ist der Gang der Wochenschule, mit
welcher parallel ganz in derselben Weise eine Sonn- und Feiertagszeichen-
schule für Gesellen verbunden ist. Die Zahl der Woehen- und Sonn-
tagsschüler in allen Abtheilungen zusammen beträgt durchschnittlich 1200
und darüber. -
Lehrgang und Sehülerzahl zeigen, dass diese Schule ihrer ganzen
Anlage und Qrganisation nach ganz andere Zielpunkte verfolgt, als es die
sind, um welche es sich bei der projectirten Kunstgewerbeschule handelt.
Ebensowenig wie irgend eine der früher erwähnten Schulen befriedigt
die k. k. Akademie der bildenden Künste jene Bedürfnisse, welche
sich in unseren Kunstgewerben täglich mehr geltend machen. Die Aka-
demie hat auch gar nicht die Aufgabe, den Gewerben zu dienen. Das
jetzige Statut hat - und zwar mit vollem Rechte -- Alles ausgeschieden,
was in dem alten Statute vom Jahre 1812 über das Verhältniss der Aka-
demie zu den Gewerben aufgenommen worden war. Nach dem alten
Statute hatte der akademische Lehrkörper eine Schule „für die Anwendung
der Kunst auf die Manufacturen" (5. 19); unter den Unterrichtsgegen-
ständen wurde „die Zeichnung und Malerei, wie sie zunächst und unmittel-
bar für verschiedene Zweige des Kunsttleisses, hauptsächlich der Kunst-
weberei und der feineren Kunstdruckerei geeignet sind", angeführt, und
„die Anleitung zum Zeichnen und Bossiren fiir die Handgewerbe, inso-
ferne der eine oder andere Kunstzweig zur Verbesserung der Handge-
werhe die Grundlage sein muss, unter die Aufsicht der Akademie ge_
stellt" (5. 20).
So richtig es jedoch gewesen, dass die Akademie bei ihrer Reorga-
nisirung diese Thätigkeit, welche von den Zielen ihrer Hauptaufgabe bei!
seite führt, aufgegeben hat, so nothwenrlig ist es doch auf der anderen
Seite, dass die von ihr aufgegebenen Zwecke von einer anderen höheren
Lehranstalt wieder aufgenommen und in selbstständiger Weise eifrigst
verfolgt werden. Dies wäre eben die Aufgabe der Kunstgewerbeschule,
welche in's Leben gerufen werden soll.
Die Errichtung einer höheren Kunstgewerbesehule, deren Nothwen-
digkeit und Zweckmäßigkeit wohl Niemand in Zweifel ziehen kann, wird
durch die Umstände zu einer Angelegenheit von besonderer Dringlichkeit.
Der Hinblick auf das eoncurrirende Ausland, das uns langst überflügelt
hat und eben neue Anstrengungen zu seiner Entwicklung macht, legt die
Nöthigung auf, die Errichtung einer solchen Schule möglichst zu be-
schleunigeu.
Die Umstände sind der Gründung der Schule günstig. Die Ver-
handlungen, welche iiber die Reform der Mittel- und Gewerbeschulen im
Zuge sind, bieten den geeignetsten Anlass dar, die Lösung dieser Aufgabe
in Angriff zu nehmen.