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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1868 / 36)

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Morgenstunden der Sonntags in geräumigen amphitheatralisch gebauten Hörsülen unent- 
geltlich und iiir Jedermann abgehalten und durch glänzende Versuche, durch Erläuterungen 
an Modellen und Maschinen, durch Tafelzeichnungen bis zum klarsten Verstlndaiss selbst 
für den weniger Vorgebildeten illustrirt. Die Qualität der meisten Vorträge, wenn wir 
den exacten deutschen Massstab anlegen, entspricht strengen Anforderungen, bei einigen 
indessen macht sich das von Oben herab protegirte Niitzlichkeitsprincip in auffallender 
Weise geltend und zwar leider auf Kosten der Wissenschaftlichkeit. Ebenso wie man in 
den botanischen und zoologischen Vorlesungen am „Musee d'histoire naturelle" im Jardin 
des plantss hauptsächlich Belehmng über die Acclimatisirung neuer Thier- und Piianzen- 
gattungen erhllt, hat auch im Conservatorium die Zoologie den Nützlichkeitscharakter 
angenommen, hier ist sie nichts weiter als die Lehre von den zur Nahrung und zur Feld- 
arbeit bestimmten Hausthieren. Die volkswirthschaftlichen Vorträge Wolowsky's drehen 
sich im wesentlichen iiber gewerbliche Gesetzgebung. l)ie Vorträge iiber alle Zweige der 
mechanischen und chemischen Technologie werden nach dem Principe der Arbeitstheilung 
auf wissenschaftlichem Gebiete nur von Fsohmiinnern, die meist ihr Wissen und Können 
auch in der Praxis bethätigt haben und von den betretfenden Industriellen als Autoritäten 
betrachtet werden, auf das Speciellste abgehalten. 
Was die technologischen Sammlungen des Conservstoriums betrißt, so kann man 
dieselben mit allem Rechte als die vortheilhaftest geordneten und vollstüudigsteu der Welt 
bezeichnen. Dies ist jedoch so zu verstehen. dass diese Sammlung nicht gerade die 
grösste Anzahl von Modellen, Apparaten, Maschinen, Werkzeugen, Instrumenten und tech- 
nologischen Rohstoffen, Zwischenstufen und Fabricaten enthält, wohl aber Modells aller 
chemachenden Erfindungen und Verbesserungen, so dass sie sowohl die historische 
Entwickelung der gesammten Masebinentechnik, als auch die Ausbildung der auf Chemie 
und Agricultur basirten Gewerbe in belehreader Weise darstellt. Dieser in historischer 
Hinsicht hohe Wertb der Sammlungen findet sich besonders deutlich ausgesprochen in 
den Dampfmotoren und in den Maschinen fir Verarbeitung der textilen Fasern. Jede 
neue Verbesserung wird alsbald den schon bekannten älteren Erscheinungen angereiht 
und da diese Suite von Objecten zugleich nach der Zeitfolge geordnet ist, so lässt sich 
die stufenweise Verbesserung und Vervollkommnung der einzelnen Maschinen, Werkzeuge 
und Apparate hliuiig von dem ersten unvollkommenen Versuch an bis auf das vollendete 
Werk der Gegenwart auf das genaueste verfolgen. Zu allen diesen Sammlungen ist an 
gewissen Tagen dem Publicum der Zutritt gestattet. 
Mehrere Säle neben- und hintereinander enthalten die Modells von Vordermaschinen 
oder Becepteurs (Maschinen zur Aufnahme von Muskelkraft, wie Hebel, Wellräder, Giipel, 
Lauf- und Trittrßder, Täetscheiben; Maschinen zur Aufnahme von Elementarkräften, wie 
Wasserrlder - verticale und Turbinen -, Windräder, Dampfmaschinen - üir Technik, 
als Locomobilen, Locomotiven, Dampfschiffe mit Rad und mit Propellerschraube -, ca- 
lorischs Maschinen, Gssmaschinen. elektro-magnetische Maschinen, Maschinen, bei denen 
Gewichte und Federn wirken), Transmissionen oder Zwinchenmaschinen (Kolben , Räder- 
werke, Hebel, Gestänge, Rollen. Ketten, Bslancier und Kurbelstaugen, Scheiben, Sperr- 
zeuge, Centrifizgalpendel, Schwungriider. Wiudflinge. Bremsen, Windkessel) und von Ar- 
beitsmaschinen und zwar letztere als Transportmsschiuen (Krahnen. Winden, Anhiige, 
Fahrwerke, Dalnpfhoote, Pumpen, Wasserhehmaschinen, Gebläse, Exhaustoren und Luft- 
pumpen), ferner als Maschinen zum Zählen und Messen (Chronometer, Dynamometer, 
Waagen, Rechenmaschinen, Wasser- und Gas-Messapparate, Theilmaschinen) und endlich 
die Fahrieationsrnaschiuen, unter welchen die Werkzeugmaschinen und insbesondere die 
Maschinen fiir Spinnerei und Weberei, speoiell unter Alt-an's Leitung. Obwohl an Zahl 
der Modelle die Berliner Sammlung der des Conservatoriums überlegen ist, so überrascht 
der historische Werth der Pariser Sammlung, und iibertridi hierin sowohl die Berliner als 
auch die Londoner. Dies gilt nun ganz speciell für die Spinnerei. Hier ziehen die Ms- 
schinen Philipps de Girard's, der zuerst eine den Anforderungen entsprechende Flachs- 
spinnmaschine construirte, die Aufmerksamkeit auf sich. In der Baumwellspinnerei Enden 
wir alle maschinellen Vorrichtungen und Verbesserungen von dem Roller-gin und der 
Mac-Carthy-Egreninnaschius an, welche die Baumwollfaser von den Sameukörnsrn trennen, 
und den Batteurs und Epurateurs, die die Auflockerung und Reinigung der entkiirnten 
Wolle bewirken, bis zu der Krempehnaschiue und dem Doubleur, dem Laminoir und end- 
lich der eigentlichen Spinnmaschine, die als Vorspinnmsschine, sei es als Flyer oder hauc- 
h-broches, oder als Rotafrotteur oder in einer andern zweckmäßigen Anordnung das Vor- 
pinnst liefert, aus welchem der Selfactor oder die Oontinue das Watsr- und Mulsgsrn 
herstellt. In der Weberei finden wir die primitiven Webstiihle der Inder , der Chinesen, 
der Koreaten, den Webstuhl des Mittelalters mit seinen stufenweise fortschreitenden Ver- 
besserungen fiir die Erzeugung der gemusterten oder faconnirten Stoße; wir sehen die 
Uebergänge vom Trommelstuhl und Zugstuhl zu Vaucansnns Webemsschine, deren Trümmer
	        
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