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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1873 / 93)

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zureichte, fast aoo unter Glas ausgestellt und zwar in giebeldachformigen, sehr sinnreich 
erfundenen Pulten. Dieselben stehen auf langen, lingshin angereihten Kästentischen und 
nehmen so die Mitte des Galerieraumes ein, ohne aber die Augenhöhe eines Mannes von 
mittlerer Grosse zu übersteigen. Es würde uns zu weit führen, wollten wir hier auch nur 
die hervorragendsten Perlen dieser Reihenfolge aufzählen; begnügen wir uns daher mit 
der Erwähnung der i5 Originalzeichnungen von Raphael, rz von Dürer, I! von Rem- 
brandt. 8 von Rubens u. s. f., alle von unanfechtbarer Echtheit und unschätzbarer Qualitat. 
Ueberhaupt ist von dem gegenwärtigen Vorstand: der Sammlung, Herrn Dr. M. 
Thausing, die Auswahl nicht auf Grund der veralteten Kataloge, sondern, wie es von einem 
so bewährten Kunstgelehrten zu erwarten war, vom neuesten Standpunkte der wissen- 
schaftlichen Kritik aus getroffen. Auch ist die Vorsicht gebraucht, dass alle jene Stücke, 
insbesondere Federzeichnungen, welche im directen Lichte leiden konnten, auf die Schat- 
tenseite der Pulte verwiesen wurden. Hoifentlich wird uns später wohl ein gedruckter 
Katalog des Genaueren über die ausgestellten Handzeichnungen belehren. 
Doch ist es nicht jedermanns Sache, diese feinsten Blüthen alter Kunst zu genicssen 
und nach Gebühr zu würdigen. Dazu gehört bereits ein gewisser Grad von künstlerischer 
oder kunsthistorischer Vorbildung. Das weni er geübte Auge weiss mit den ehrwürdigen 
Bruchstücken alter Meisterwerke nichts anzu angen, es verlangt fertige Gegenstände, ganze 
Bilder. Aber auch für das Bedutfniss des Anfangers hat die neue Aufstellung der Alber- 
tina Fürsorge geholfen. Schweift der Blick über die Pulte der Zeichnungen hinweg, so 
entfaltet sich auf den Kasten, welche der Fensterseite gegenüber stehen, eine bunte Reihe 
von Meisterwerken des Grabstichels, welche die berühmtesten Compositionen historischer 
Malerei in würdiger und stylvoller Weise darstellen. Theilweise dienen sie zugleich zur 
Erlauterung der Zeichnungen in den gegenüberstehenden Pulten. Den Mittelpunkt bildet 
Kellers Stich nach Raphaels Disputa, zu dessen Seiten Jacoby's Bildnisse der Maiestaten 
ahnlich wie die Stifterbildnisse der alten Altäre angereiht sind. Auch die sonstige Einfü- 
gung von glänzenden Stichen nach Konigsportraits, insbesondere nach französischen, in 
die gefällige Reihe bietet nicht blos eine angenehme Abwechslung, sondern zeigt zugleich un- 
serem photographischen Zeitalter, was die Kupferstechkunst auf diesem Gebiete Monu- 
mentales zu leisten vermag oder vielmehr vermochte. 
Als Gegengewicht zu dieser fortlaufenden hohen Bilderreihe tragen die gegenüber 
an der Fensterseite stehenden Kasten gute, lebensgrosse Büsten von Künstlern und Kunst- 
schriftstellern, von Raphael und Michelangelo bis auf Cornelius und Kaulbach, von Winckel- 
mann bis Kugler. Es sind deren i6, je eine auf einem Fensterkasten, zu dessen Ver- 
zierung sie sich darum so gut eignen, weil sie den Einfall des Lichtes nicht verhindern. 
Nur die beiden mittelsten gehen über das Mass der anderen hinaus; es sind die Kolossal- 
büsten von Albrecht Dürer und Marcantonio Raimondi, den Vertretern der deutschen und 
italienischen Kupferstechkunst. 
Noch zwei andere Büsten aber sehen wir in der Albertina aufgestellt. Aus weissem 
Marmor gehauen, stehen sie auf eigenen Postamenten inmitten des Galerieraumes, je eine 
an jedem Ende derselben. Es sind die Bildnisse jener beiden edlen Fürsten, denen die 
Albertina ihren Ursprung und ihre Vermehrung verdankt, des Herzogs Albert von Sachsen- 
Teschen und des Erzherzogs Karl. Wohl dem Lande, das so viel Ursache hat, seinen ersten 
Staatsmsnnern und Feldherren auch an solcher Stätte ein dankbares Andenken zu weihen! 
Durch diese neuen Einrichtungen ist die Albertina eigentlich erst im vollen Sinne 
des Wortes das geworden, was sie nach den humanen lntentionen ihres Stifters sein sollte: 
eine öffentliche Kunstanstalt. Ein wesentliches Hinderniss zur völligen Erreichung dieser 
Bestimmung war aber bisher der Mangel eines eigenen und bequemen Zuganges zur 
Sammlung. Der Anlage eines solchen standen verschiedene nicht unerhebliche Schwierig- 
keiten, theils technischer, theils privatrechtlicher Natur entgegen und nur dem hochst- 
eigenen, persönlichen Eingreifen Sr. kais. Hoheit des Herrn Erzherzogs Albrecht soll, wie 
wir hüten, die Ueberwindung derselben zu verdanken sein. ln Folge dessen gelangt man 
nun aus dem Hofe des erzherzoglichen Palais auf der Augustinerbastei geraden Weges in 
die Kunstsammlung, an welche sich bekanntlich die reichhaltige Kartensammlung und die 
stattliche Privatbibliothek des hohen Herrn anschliesst. 
Jene ovale Halle, welche der Baumeister Kornhausel beim Umbau des ehemaligen 
Palais Sylva-Tarrouca dem Treppenhaus: verlegte, blos urn den schrägen Anschluss dea- 
aelben an den Hauptbau zu rnaskiren, diese bisher zwecklose Rotunde ist nun gewisser- 
massen das Vestibule der Albertina geworden. Von hier führt eine ganz kurze, bequeme 
Treppe in den Vorraum der Sammlung, über deren Eingang eine schwarze Marmortafel 
über Namen und lnhalt, Gründnng und Restaurirung der Kunstsammlung Kunde gibt mit 
den schlichten Worten: 
ALBERTlNA l liniarium picturafüm eollectio l ab Alberto Diice Saxoniae instinim, 
e Carolo Auntriae Archiduce aucta, 1 ab Alberto Archiduce Austriu liberalium stiidiorum 
in usum adornata. 
_._.._._._ (W- 1-)
	        
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