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1. Den Zeichenunterricht" in den Volks-, Bürgen, Mittelschulen
und Gymnasien zu regeln, Lehrpläne und Zeichenvorlagen, welche mit
diesen im Einklange stehen, zu schaffen;
z. die Lehrerhildung für den Unterricht im Zeichnen und Mo-
delliren auf eine rationelle Basis zu stellen; und endlich
3. durch Einführung allgemeiner Zeichenschulen jenen
Gelegenheit zu geben, zeichnen zu lernen, die entweder gar nicht in der
Lage sind, sich einen genügenden Unterricht im Zeichnen zu verschaffen,
_oder die innerhalb der Schulen, in denen sich dieselben befinden, nicht
jenen Grad von Zeichenfertigkeit erhalten konnten, den sie für ihren künfti-
gen Lebensberuf gebrauchen, als Gymnasiasten, welche Architekten oder
Maler werden wollen, Techniker, welche in rein künstlerische Lebens-
sphäre überzutreten gewillt sind.
Diese allgemeinen, auf gleicher Basis eingerichteten Zeichenschulen
sollen in allen Kronlandshauptstädten und dort auch eingeführt werden,
wo sich ein Bedürfniss nach solchen Schulen geltend macht und zwar
nach Massgabe der Räume und der Mitteln, welche zur Verfügung stehen
und der disponiblen Lehrer. In Brünn ist bereits eine solche Schule
eingeführt worden (dort lehren die Herren Laizner und Roller); in
Wien werden vorläufig zwei in das Leben gerufen, eine für Mädchen
und Frauen in den Räumen des Pädagogiums, welche von der Gemeinde
vertretung nur Verfügung gestellt wurden und eine in derRealschule unter
den Weissgärbern, wo Prof. Grandauer den Unterricht übernommen
hat. Auch in Prag wird noch in diesem Winter eine solche Schule er-
richtet werden. Dann dürften Triest, Lemberg, Innsbruck, Graz, Salzburg
in erster Linie in Betrachtunglkommen.
_ DieHBemerkungen, die über den Zeichenunterricht gemacht worden
sind, beziehen sich auf das Zeichnen als Unterrichtsgegenstand in Volks-,
Bürgen, Gewerbe- und Mittelschulen, nicht auf das Zeichnen als Kunst
im eigentlichen Sinne des Wortes.
Das Zeichnen im künstlerischen Sinne des Wortes ist nicht blos
eine Fertigkeit; sie setzt die Fertigkeit voraus, ist Fertigkeit par excellence,
berührt aber ganz andere Gebiete des Geisteslebens, als es die sind, von
denen eben die Rede war. Da alle Kunst ein Denken und Dichten in
Linien und Farben ist, so ist die Kunst par excellence die Kunst des
Zeichnens, d. h. das Umsetzen des schöpferischen Gedankens, wie des
künstlerischen Vorstellens und Empfindens in Linien. Jeder grosse Künstler
war daher ein grosser Zeichner, da jeder im eminenten Sinne des Wortes
die Fertigkeit besass, das was er dachte, geistig anschaute, seine Phantasie
belebte, auch in der Fläche darzustellen; jeder grosse Künstler war auch
ein Zeichner in seiner Art. Seine Eigenart tritt in und durch die Zeichnung
hervor; der Colorist zeichnet schon malerisch, der Stylist in Linien; jede
Künstlerschule hat ihre Art zu zeichnen, jedes Jahrhundert seinen künstle-
rischen Typus, sich durch das Zeichnen eigenartig auszudrücken. Dieses vor-